Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 1. Oktober 1887
Potsdam
den 1 October
1889
Lieber Bruder!
Diese Zeilen, die Euch hoffentlich als glücklich angekommen in Jena antreffen, sollen Dir melden, daß ich heute das obere Quartier und alle 4 im 3t Stock bewohnbaren Räume an einen herversetzten Hauptmann von Jacobi von heut ab vermiethet habe. Am 15t dieses Monats kommen die Sachen desselben an. Ich muß also vorher die Oberstube, in der die Nachlaßsachen, die noch zu theilen sind, aufbewahrt werden, geräumt und die Sachen abgesondert, auch diese Stube noch durch Maurer und Maler in Stand gesetzt haben. Dazu brauche ich aber, damit die Farbe noch trocknen kann, ca. 8 Tage und deshalb bitte ich Dich, wenn irgend möglich Mitte nächster || Woche mit Agnes herzukommen, um die Theilung vorzunehmen. Marie hat jetzt, da die großen Söhne fort sind und wir von morgen ab nur ein Mädchen haben (eine passende Köchin fand sich nicht), erheblich mehr selbst zu thun und es liegt ihr um so mehr daran, daß sie die nöthige Zeit hat, alles bis zum 15t noch einzurichten. Miethe erhalte ich 1680 Mk pro Jahr.
Georg wird Euch nun wohl vergeblich am vorigen Sonntag in Baden-Baden aufgesucht haben. Ich hatte ihm nicht geschrieben, daß Ihr schon fort sein würdet. Er wohnt Sophienstr. 13, Karlsruhe, Baden. Dein Walter, dem ich zum Geburtstag nachträglich gratulire, wird nun wohl auch bald dorthin abgehen. Bitte mir zu sagen, ob er Ludwig Richter’s (des Malers) Selbstbiographie besitzt? Er soll sie von mir || sonst erhalten.
Mit meinem Heinz ist es mir komisch gegangen. Gestern bekomme ich eine Postkarte aus Bellinzona, wonach der unterschriebene (Heinrich) auf dem Wege nach Italien durch den „dunkeln Tunnel gefahren“ ist. Ich denke trotz auffallend großer Handschrift durchaus nur an unsern Heinz und freue mich, daß er schon auf dem Wege nach Florenz ist. Erst am Abend bei nochmaliger Ansicht der Karte geht mir ein Licht auf: sie ist von Heinrich Lisco! – Grüße also den Meinen, danke ihm für seinen Geburts Tags Brief; ich wünsche ihm glückliche Reise u. hoffe wenn auch nur kurze Nachrichten recht oft von ihm zu erhalten.
Das Hypotheken Capital der 30 mille ist heut an Herrn Eckardt gezahlt.
– Sonnabend habe ich in Berlin den Prinzregenten reden u. singen || hören. Auch ein Naturwunder! –
Gruß von Haus zu Haus u. bitte baldiger zusagender Antwort
Dein treuer
Bruder.