Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 9.-11. März 1882

Potsdam d. 9 Maerz

1882.

Lieber Ernst!

Sollen Dich diese Zeilen noch in Suez treffen, so müssen sie bald abgehen. Wir haben dieser Tage wieder viel Deiner gedacht: ob Du nun gestern glücklich auf das Heimkehr-Schiff gekommen bist? wie die Reise im Inneren der Insel verlaufen ist? Heut erhielten wir indirekt Nachricht von dieser Reise. Du hast von Peradenia aus am 9 Februar eine Karte an die Expedition der Illustrierten Zeitung in Jena gesendet u. Dir die ferner erscheinenden Nummern nach Jena zu schicken gebeten. In dieser Karte hatte Adressatin den Namen Jena nicht lesen können. Sie findet „Jeva“ nicht in Ostindien auf der Landkarte u. läßt daher hier bei mir als Besteller anfragen, wohin sie die Nummern senden solle! Ich mußte recht darüber lachen u. habe die Auskunft ertheilt, freute mich aber, daß wir auf diese Weise erfuhren, wo Du am 9 Februar gesteckt hast. Also wieder in dem herrlichen botanischen Garten bei Kandy. Hoffentlich hören wir bald Näheres über deine Exkursion im Inneren.

‒ – Hier sind die Tage, in denen ich meinen Heinz zu Hause hatte, rasch vorübergegangen. Louis Mulder hatte den Hermann eingeladen, sich Holland zu besehen. Da aber dieser schon seit 15 Februar seine Stelle || in Wannsee angetreten hat, so habe ich ihm statt dessen den Heinrich geschickt, der gern sich in der Welt umsieht u. grade nach Holland hinpaßt. Er geht über Münster u. Bochum, u. denkt am Sonnabend im Haag anzukommen. Am 31 März muß er wieder in Straßburg sein.

Du willst Dich nach Deinem letzten Briefe in Suez nicht aufhalten. Solltest Du aber doch noch irgendwo des Klima’s wegen ein Uebergangsstadium durchmachen wollen, u. es Dich nicht unbedingt zu rascher Rückkehr nach Hause treiben, so möchte ich Dir eine einen Ort in der Nähe von Fiume zu kürzerem Aufenthalt vorschlagen, nämlich Abbazia ehemals Volosca welches besonders geschützt liegt und gerade zum Frühlingsaufenthalt, nach einem Artikel von Heinrich Noé in der National Zeitung sich besonders eignet. Es liegt im todten Winkel der kalten Winde, wird von der Bora nicht erreicht, und an dem Schutzwall gegen diese, dem Monte maggiore, geht der Oelbaum bis 300., die Feige bis 398., der Weinstock bis 435., die Kastanie bis 667 Meter hinauf. In dem die Villa Angiolina (dem Grafen Chosinski gehörig) umgebenden Walde wachsen Nordlandbäume zwischen Oliven u. Myrthen; zwischen Linden u. Eichen, zwischen Feigenbäumen u. Lorbeerdickicht blaut das Meer. In der Osteria alla Piazza der Frau Tomasitsch, in der Wiener verkehren, soll man gute Unterkunft finden.

Doch wozu noch mehr. – Treibt es Dich wirklich, noch || auf der Heimreise zu rasten, so wirst du in Triest gewiß nähere Auskunft über diesen Ort erhalten. Schade, daß derselbe nicht von hier aus leichter zu erreichen ist! – Uebrigens haben wir diesmal nach ungewöhnlich mildem Winter ein zeitiges Frühjahr. Schneeglöckchen blühen schon über 8 Tage; Krokus sind heraus u. das Grün des Flieders entfaltet sich. Bleibt es so dabei, so giebt es ein ungewöhnliches Jahr. Die Saaten stehen herrlich grün.

Mit meiner Besserung ist es bisher stetig vorwärts gegangen. Doch fühle ich mich immer noch schwach im Kreuz. Irgend eine Badekur, vielleicht ein Seebad (was mir das Angenehmste wäre) werde ich wohl in den Ferien gebrauchen.

11 März.

Gestern hatte ich den Vorsitz in einer langen Strafkammersitzung von 9- ½5 Uhr. Das war Viel u. greift an, aber es geht doch. Im Ganzen habe ich mäßig zu thun u. kann nicht klagen. Am 13t dieses Monats steht uns eine große Strafsache zur Verhandlung in Aussicht, eine causa celébre gegen eine Landgerichtspräsidentin wegen Beleidigungen durch verschiedene Briefe, die sie anonym an eine Menge Leute geschrieben hat. Ihr Mann hat sich deshalb schon von Prenzlau nach Conitz versetzen lassen müssen. – Dann haben wir Anfang April || Julius’ Einsegnung, ein Jubiläum eines hiesigen Rechtsanwalts u. den Turnlehrertag hier. Es wird also dann unruhige Tage geben.

Hoffentlich hören wir bald von Dir. Schreibe nur jedenfalls von Suez aus; wir bekommen dann doch den Brief eher als Dua mit deinem Schiffe in Triest ankommst.

Herzliche Grüße, lieber Bruder, u. gute Heimreise wünscht Dir Dein

treuer Bruder

Karl.

a eingef.: Du

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
09.03.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35125
ID
35125