Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. Januar 1882

Potsdam d. 15 Januar

1882

Lieber Bruder!

Da ich von diesen Zeilen vermuthe, daß sie etwa grade zu Deinem Geburtstag in Deine Hände gelangen werden, so wünsche ich Dir zu demselben alles Gute, vor allem, daß Du dort u. auf dem Rückwege hübsch gesund sein u. bleiben mögest. Vermutlich bist [du] zu Mitte Februar nicht mehr in Weligama (so heißt ja Deine Meer-Fisch-Station nach dem Poststempel), sondern wohl schon a an der Ostküste oder im Inneren. Und wie ist Dein weiterer Plan für dort u. die Rückreise. Es ist gut, wenn Du das zeitig mittheilst, damit man weiß, wohin man die nächsten Briefe schreibt.

Das (bis jetzt noch unaufgeklärte) verschwinden Deiner ersten Serie Reisebriefe habe ich Dir längst mitgetheilt. Die 2te habe ich am 12t dieses Monats (eod. quo accepi) an die Rundschauredaktion sofort nach Empfang gesandt u. dadurch erreicht, daß dieselbe (als erste Serie) in das Februar-Heft aufgenommen wird. || Für Agnes habe ich 10 Separat Abdrücke, für mich ebensoviele (zur Vertheilung an Bekannte) bestellt; wozu sich die Redaktion bereitwillig erbot. Dieselbe b erwähnte zugleich, sie habe Dir angeboten, die „Briefe“ nachher als Buch zu verlegen, aber keine Antwort erhalten. Ich habe ihr erwidert, mir seien Deine Intentionen darüber nicht bekannt, doch glaubte ich annehmen zu dürfen, daß Du die Reiseerlebnisse in derselben Form schwerlich noch als Buch c publiziren würdest. (Meines Erachtens wirst Du die Berichte in einem Buche doch noch mehr durchfeilen und manche streichen, manches zusetzen. Ich hoffe, ich habe es mit dieser Mittheilung Dir recht gemacht.)

Nun zu etwas Anderem! Mein Hermann hat mir um Weihnachten mitgetheilt, daß er sich bereits in Alt-Hof-Ragnit mit der dortigen Wirthschafterin, Tochter eines Dorfschullehrers in der Nähe von Tilsit, Minna Neiss, versprochen habe. Er hatte sich mit derselben (die seit seinem Abgang von Ragnit wieder zu Hause dem Vater die Wirthschaft führte) im Dezember vorigen Jahres || in Königsberg, bei ihren Verwandten wiedergesehen und dann vom Vater der Braut die Einwilligung erhalten. Ich habe, nachdem ich mich sorgfältig über die Braut u. Ihre Familie informirt, meine Zustimmung gegeben, u. hoffe, daß die beiden jungen Leute (die fast gleichaltrig sind, sie 4 Monat älter) einmal bei bescheidnen Ansprüchen recht glücklich werden. Hermann hat sein Examen als Obergärtner gut bestanden u. wird wahrscheinlich eine Privatstelle auf einer Villa in Wannsee zu Mitte Februar antreten. Aber ob er darauf wird heirathen können, wird sich erst später ergeben.

Heinrich sitzt noch im Examen u. hat neulich seine „Examengeburt“ abgemacht. Ich denke, er kommt im Laufe des Februar her u. feiert hier mit uns Deinen u. seinen Geburtstag. Mir geht es noch beim Alten. Ich werde täglich elektrisirt (mit konstantem Strom), spüre aber davon keine sonderliche Wirkung. || Doch soll ich jetzt täglich ein Paar Stunden außer Bett zubringen, um nicht zu viel zu liegen.

Wie es bei uns in der Politik aussieht, wirst Du aus der Zeitung ersehen haben. Der „Wahlerlaß“ ist wahrlich nicht erbaulich u. wird der Regierung bei allen anständigen Menschen mehr schaden als nützen. Wie weit Bismarck es mit dem Nachgeben gegenüber Rom treiben will, wird sich nun im Preußischen Landtage zeigen.

Hoffentlich bekommst Du die beiden Zeitungen (Coelner u. Illustrirte) pünktlich. Ueber den 1 April hinaus bestelle ich doch keine? – Frau Nietner hat der Brief, in dem Du vom Besuch bei dem alten Botaniker schriebst, sehr interessirt. Es that ihr nur leid, daß Du nicht noch höher hinauf, bis in die Region ihrer alten Kaffeplantage, gekommen seist. Ich studire jetzt tapfer im Ritter Über Ceylon, der, wenn auch veraltet, doch viel interessante Notizen enthält. Mit herzlichen Grüßen von uns allen

Dein treuer

Bruder C. Hkl

d Ich lege zwei ergötzliche Ausschnitte aus dem Kladderadatsch bei, der Eine, auf der Rückseite des Bildes, Dich speziell betreffend. Daß Du in solchen Artikeln machen würdest, wer konnte das denken!!! –

a gestr.: auf; b gestr.: sorgte; c gestr.: erschei; d weiter am Rand v. S. 4:

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
15.01.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35122
ID
35122