Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 14. Februar 1871

Potsdam d. 14 Febr 1871.

Lieber Herzens Bruder!

Zu Deinem Geburtstag meinen herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich Deiner Entscheidung dort zu bleiben, der Anerkennung, die damit verknüpft ist, und wünsche, daß Dir diese Entscheidung zum Segen gereichen möge, Dir und Deinem Hause. Du bringst dies-mal eigentlich zum ersten Male Deinen Geburtstag als ordentlicher pater familias zu. Denn dazu gehören nicht blos ein, sondern mehrere Kinder! – Es ist ein ganz anderes Leben im Hause, wenn sich nicht mehr alle Sorge u. Freude um ein solch kleines Wurm dreht. Du wirst auch sehen, wie viel Freude man auch am 2ten, an jedem kleinen Fortschritt in der Entwicklung des Kindes hat, – wie wir es || jetzt am 9t haben! ‒ Unser Max macht uns sehr, sehr viel Freude – durch Popeln, Zausen im Bart, aufmerksames Beobachten, Greifen mit den Fußzehen etc, und ich hoffe, wenn Gott ihm das Leben schenkt, ihn ebenso wie die andern zu einem tüchtigen deutschen Jungen heranzuziehen. Ich wünsche auch, daß er deutsch bleibe und kann mich nicht Deiner – in einem dieser Tage wieder durch unsere Hände gegangenen Briefe von Dir aus dem Sommer 1866 enthaltenen ‒ Ansicht anschließen, daß es am besten sei, die Jungen nach Amerika zu schicken, wenn sie herangewachsen sind! – Vielleicht hast Du auch andere Ansichten, wenn Dein Junge groß geworden ist. Nein, ich hoffe, daß unsre Kinder noch erfreulichere Zeiten als wir in Bezug auf die innere Entwicklung Deutschlands erleben werden, und daß uns der Franzose nicht zu bald in dieser Entwicklung stören wird, − wenn wir ihn auch später auf den Hals bekommen. ||

Wie schwer Dir die Entscheidung bei der Berufung nach Wien geworden, kann ich mir denken. Es ist etwas ganz Anderes, wenn Einem irgend eine große Wendung im eigenen Leben von Außen auferlegt wird, als wenn man sich selber zu bestimmen hat. Nun [ist] es gut, daß Du das hinter Dir hast. Mutter wird auch froh darüber sein. Deinen Brief über den Fackelzug schickte sie mir. Vor 14 Tagen war ich zuletzt drüben; die Kälte hat mich in der letzten Woche abgehalten, die Alten zu besuchen, die wieder ohne Bedienten sind. Ich hoffe aber, bei dem gelinderen Wetter morgen herüber zu können. Wenn es so bleibt, kommst Du doch wohl am Sonnabend? – Hoffentlich geht es mit Agnes u. den Kindern so, daß Du sie verlassen kannst. Die Kälte war doch arg, und wir sind auch noch nicht sicher, daß sie nicht wieder kommt. Wir haben uns so durchgeschlagen, die Zimmer mit Steinkohlen wohl warm bekommen, aber die kleinsten Schuljungen doch einige Male bei scharfem Winde zu Hause behalten. ||

Von Karl haben wir recht erfreuliche Briefe. Nun Gott behüte Dich und Dein Haus im neuen Lebensjahre, dies wünscht mit herzl. Gruß an Agnes Dein

treuer Bruder

Karl.

[Beischrift von Clara Haeckel]

Herzliche Glückwünsche, lieber Ernst, zu Deinem Geburtstage, möchte es Dir und Deinem Haus wohl gehen und Du nun nach Deinem Beschluß noch manch schönes Jahr in Jena zubringen. Wir freuen uns sehr Dich ferner dort zu wissen und Dich nicht so weit fortrücken zu sehen. Allen Kindern geht es wohl und vergnügt, sie grüßen mit mir herzlich wie ich Agnes und Dich. In herzliche Liebe

Deine Klara Haeckel

d. 14. 2. 71.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
14.02.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35018
ID
35018