Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 30. März 1. April 1864, mit Beischrift von Charlotte Haeckel

Berlin d. 30 Maerz 1864.

Lieber Ernst!

Seit vorigen Mittwoch bin ich nun aus Landsberg fort mit Kind u. Kegel. Bis Sonntag Nachmittag waren wir alle in Frankfurt; dann bin ich mit den beiden ältesten Jungen hierher gefahren u. habe die 3 Tage hier abgelaufen (anders kann ich’s kaum nennen). Alle Bekannte hier u. in Frankfurt denken mit der innigsten Theilnahme Deiner. Nach Deinem letzten Briefe hoffe ich, daß Du in Villafranca zu einem Deine Thätigkeit ordentlich in Anspruch nehmenden Arbeiten wirst kommen können. Das wird Dir sehr wohl thun, und die Kraft zur Ueberwindung oder doch wenigstens zum Ertragen des großen Schmerzes stärken.

In diesen Tagen habe ich mit Zustimmung der Aeltern beschlossen, (wenn es mir gelingt, einen angemessenen Bauplatz zu erzielen) mich in Landsberg anzubauen. Ich gedenke in dem Garten meiner früheren Wohnung, die Du ja kennst, gegenüber dem hübschen freien Platz, der an der Cladower Chausseee liegt, ein zweistöckiges Haus zu bauen, die obere Etage zu vermiethen und die untere selbst zu bewohnen. Vater will mir das nöthige Kapital dazu vorstrecken. Ich hoffe auf diese Weise endlich zu einer hinreichend geräumigen, und durch das daran stoßende Gärtchen für die Kinder geeigneten Wohnung zu gelangen. ||

Mimmi sehe ich morgen bei der Rückreise auf dem Frankfurter Bahnhofe, u. werde ihr Deinen letzten Brief für sie u. die Schwiegermutter zum Lesen geben. Karl u. Heinrich sind heute auf einen Tag hinübergefahren. Mutter Mienchen fand ich leidlich wohl. Sie freute sich sehr, Mimmi u. die Kinder ordentlich bei sich zu haben. Ich werde nun noch über 14 Tage in Landsberg allein sein müssen, was mir recht ungewohnt sein wird. Und doch freue ich mich, den beiderseitigen Aeltern gerade in dieser Zeit durch Mimmi’s u. der Kinder Anwesenheit Erheiterung verschaffen zu können.

Nun ade, liebster Bruder.

Dein Karl.

[Beischrift von Charlotte Haeckel]

Freitag.

Mein lieber Ernst!

Ganz ohne Gruß an Dich kann ich Vaters und Karls Briefe an Dich nicht abgehn lassen. Wenn ich auch mit meinem Herzen und Gedanken immer bei Dir bin, so wird mir das Schreiben grade so schwer, wenn ich nicht ruhig im Gemüth bin. Dazu kommt nun noch eine große Abspannung und Müdigkeit von den vielerlei Unruhen. Ich denke das wird alles besser, wenn ich Dich erst werde hier haben. Wann wirst Du denn kommen? || Ich kann Dich auch aufnehmen, wenn auch Hermine mit den Kindern noch hier ist, Du kannst dann bei Vater schlafen und ich bei Hermine. Karls Hiersein war so kurz, daß wir wenig von ihm gehabt haben. − Unser erster Brief an Dich nach Genua ist denn vorgestern wieder an uns zurück gekommen, aus den vielen Poststempeln, die er erhalten, ersehe ich, daß er doch richtig den 6ten von hier gegangen ist, er muß also dort ruhig gelegen haben, und es ist nur Nachlässigkeit von den dortigen Postbeamten gewesen. Ich habe nun das Briefchen von Mutter Minchen herausgenommen und schicke es Dir mit. –

Die Briefe, die sonst an Dich gekommen sind, habe ich für Dich aufgehoben, da Du nichts darüber bestimmt hast. −||

Karl meinte bei seiner Abreise, Du solltest doch von hier sie auch in Landsberg besuchen, da er wohl nicht würde Urlaub bekommen können, und Du dann auch die Kinder sähest. – –

Gestern haben wir die Anzeige bekommen, daß sich Max Mollard mit Frl. Marie Geiß, Tochter eines hiesigen Fabrikbesitzers, verlobt hat. – –

Daß Du jetzt eine Wohnung hast, die Dir zusagt, freut mich, aber vermeide nicht so ganz allen Verkehr mit Menschen; Deinen freundlichen Abbe siehst Du doch wohl öfter. –

Gestern hörte ich von Ida Voswinkel, daß die Frau Klostermann in Messina auch gestorben sei, die Klostermannsche Familie hat doch in der letzten Zeit sehr hartte Verluste gehabt. − ||

Alle Freunde und Verwandte grüßen Dich herzlich. Dir in Gedanken einen herzlich Kuß von

Deiner Mutter Lotte

Hoffentlich, mein lieber Ernst, bekommen wir bald von Dir wieder Nachrichten; und hören, daß Du mit mehr Ruhe an Deine liebe Heimgegangene denken kannst. Ich weiß es wohl, wie Du noch viel bittere, schwere Stunden haben wirst, daß Du die geliebte Frau nicht mehr fühlbar bei Dir hast; aber ihre Liebe wird Dich umgeben auf Deinem ganzen Lebensweg; was so innig verbunden war, wird nie wieder getrennt; und wenn Du erst so recht Dich damit vertraut gemacht hast, dann wird Dich das auch anspornen, immer so zu sein, wie Du ihrer würdig lebst, und der Gedanke an ihre Nähe wird Dich zum Guten stärken und Dir Kraft geben, Deinem Berufe hier treu zu leben.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.03.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 34962
ID
34962