Sethe, Anna

Anna Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt (Oder), 8. April 1859 – Berlin, 10. April 1859

Frankfurt a/O den 8.4.59.

Endlich habe ich wieder ein ruhiges Stündchen herausgefunden, a lieber, herziger Erni, wieder mit Dir zu plaudern, Dir zu danken für den lieben Brief, den ersten Gruß aus Neapel, den ich gestern Morgen von Deiner Mutter zugeschickt erhielt. Ich sitze am offenen Fenster in einem kleinen reizenden Zimmerchen unter dem Dach mit freiem Blick auf die Stadt Frankfurt und die Oder, dicht vor mir im Vordergrund die sogenannte halbe Stadt, große Baumanlagen, in denen die Vögel von Frühling und Liebe mir vorsingen, Lieder, die in meinem übervollen Herzen den besten Wiederhall [!] finden; hätte ich Dich nur Morgens um 6 Uhr ein Stündchen, um in der hübschen, bekannten Umgebung Frankfurts mit Dir herumzustreifen, wie selig wollte ich sein. Sonntag Morgen d. 10.4.59. Am Weiterschreiben in Frankfurt wurde ich leider durch Besuche von mehreren Bekannten verhindert worden und gar nicht mehr dort zum Weiterschreiben gekommen. So sende ich Dir denn aus meinem lieben Zimmerchen vom alt bekannten Platze den ersten Gruß aus der Heimath hinüber, auf die ich mich nach eilfwöchentlicher [!] Abwesenheit recht sehr gefreut hatte; leider werde ich ihr vielleicht morgen schon wieder den Rücken wenden; Hermine hat nämlich eine schlimme Brust, weßhalb Mutter noch gar nicht hier ist, vielleicht heute, sonst in den nächsten Tagen kommt und dann von mir in Freienwalde ersetzt werden soll. So gern ich auch bei den Freienwaldern bin, so wird mir’s schwer, gleich wieder hier fort zu gehen. Ich hatte mich nach langer Zeit nach dem stillen Genuß aller Schätze von Dir gefreut, namentlich auf die Herbarien, die ich nun heute wohl nur flüchtig durchsehen kann. Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr kam ich hier an bei hellem Sonnenschein, nachdem es die ganze Fahrt über geregnet hatte; aber welch ein Regen! Alles ist grün und lacht Einen an. Ich hatte sehr gute Reisegesellschaft in einer sehr angenehmen Dame: Baronesse von Bissing, wie sich aus ihrer mir gereichten Visitenkarte ergab, die frei von den Beschränktheiten ihres Standes und den Vorurtheilen, die so vielen Menschen ankleben, eine große Verehrerin || der Naturwissenschaften, Malerei und Musik ist. Sie ist ein Jahr in Weimar bei Hof gewesen, wo sie die meisten Jenenser Professoren kennen und schätzen gelernt hat. Von dort hat sie sich an den Gutsbesitzer ihres Namens in der Oberlausitz, nahe der böhmischen Grenze verheirathet, wo sie mit Mann und Kindern in einer herrlichen, fruchtbaren Gebirgsgegend, 5–6 Monate im Jahre ohne allen Verkehr mit der Außenwelt, ein geistig angeregtes, genußreiches Leben lebt. In den angenehmsten, vielseitigsten Unterhaltungen verflossen mir die 2½ Stunden, so daß ich erstaunt war, wie ich in Berlin ankam, wo Heinrich mich auf dem Bahnhof abholte. In unserer Wohnung fand ich Helene mit den beiden Kindern vor, die sehr wohl aussehen und mußte viel von Steinspring erzählen. Um 6 Uhr begab ich mich mit einem köstlichen Strauß von Hyacinthen und Veilchen zu Schellers, womit ihr Garten in Frankfurt sie grüßen ließ, dann zu Deinen lieben Eltern. Ich fand nur Tante Lotte, die noch recht angegriffen und matt aussieht, im Ganzen aber mit sich zufrieden ist; wenn nur erst die Schmerzen im Rückgrat nachließen, so wird sie sich wieder erholen, Onkel war laut Ottilie bei Krolls; ich werde heute Mittag mit Heinrich bei ihnen essen. Als ich um 8 Uhr fortging und Dein Zimmer passirte, das jetzt als Ottiliens Zimmer sehr verändert ist, konnte ich eine tiefe Wehmuth nicht unterdrücken; ich suchte vergeblich nach dem lieben Blondkopf und eilte so rasch wie möglich der Treppe zu. O in der Sehnsucht, dem bangen, heißen Wunsch nach Dir, geliebtes Herz, fühle ich, wie glücklich, wie unaussprechlich selig ich sein werde, habe ich Dich wieder und bin ganz Dein. Bei allen derartigen Gefühlen kann ich mich doch sehr freuen, daß Du die schöne Reise unternommen hast, die Deine Anschauungen nach allen Seiten hin erweitert, in jeder Beziehung neuen Grund zu Deinem späteren Leben legt, insofern Du selbstständig, Mann wirst und in wissenschaftlicher Beziehung Stoff zu späteren Vorlesungen und Arbeiten sammelst. Lieber Erni, werde nicht zaghaft und verliere den Muth, in dem Gedanken, vielleicht einen Mißgriff in dieser Reise jetzt gethan zu haben, weil mehrere Deiner Bekannten schon einen Ruf || erhalten haben; er wird Dir auch nicht ausbleiben und dann noch ein Frauchen dazu, das den Anderen fehlt. Am meisten habe ich mich über Betzold’s Anstellung gefreut und möchte ihn bei seiner Abreise nach dem schönen Jena, wenn er in Würzburg promoviert hat, gern selbst sprechen, um ihm meine Freude auszudrücken und Jena zu grüßen. Nun muß er sich auch eine Frau suchen. Seine Anstellung ist ein Beweis, wie es jetzt nach Leistungen, nicht nach Alter und sonstigen Vorrechten geht, die überall knechten und einschränken, wo sie auftreten, namentlich in der Wissenschaft, die sich Gott sei Dank ja auch am freisten davon hält. Von Deiner Mutter höre ich gestern, daß Hartmann Max Schultze in Halle folgt, der einen Ruf nach Bonn erhalten hat; das ist auch gewiß ein glücklicher Griff für ersteren, doch kann ich ihnb nicht beneiden; ich würde mich schwer entschließen nach Halle zu gehen, ein Anderes wäre es freilich, gingst Du gern hin. Ich warte ruhig ab, wo das Schicksal Dich hinwirft und freue mich vorläufig Deiner Reise, die Du in späteren Jahren doch nie hättest unternehmen können. Jetzt mußt Du mir schon einige Tage in die Vergangenheit folgen, von denen ich Dir noch nicht erzählt habe. Heute vor acht Tagen, Nachmittags fuhr ich mit Bernhard zum Oberförster Langefeld, beförderte vorher Deinen Brief und verbrachte dann bis 12 Uhr im gewöhnlichen Kreise. Inzwischen hatte sich ein heftiger Regen eingestellt, weßhalb Bernhard Fahren auf offenem Wagen für mich bei meiner Erkältungc für unmöglich erklärte und ich die Nacht bei Langefelds zubringen sollte. Anderen Tages wollte ich Steinspring verlassen, hatte meine Sachen noch nicht gepackt und fühlte durchaus keine Lust zu diesem improvisirten Nachtquartier. Mein Bitten und Zureden half; ich packte mich warm ein, spannte den Schirm auf und kutschirte in sehr warmer, milder Luft mit Bernhard zu Haus. Anderen Morgens regnete es in Strömen und blieb den ganzen Tag dabei; bis auf die ½ Stunde, wo ich bis zur nächsten Station: Altkarbe fahren mußte, ein großes Glück für mich, denn sonst wäre ich ganz naß in das Coupé gekommen, was meiner Erkältung wahrscheinlich || nicht sehr zuträglich gewesen sein würde. Montag um 3 Uhr verließ ich das kleine Forsthaus; Bertha wurde die Trennung von mir sehr schwer, und auch ich verließ sie nur ungern, sowie Bernhard und das liebe kleine Ding, das in seiner Unschuld und Unbefangenheit sehr selig mit meiner Muffe, ihrer Mimi Mimi spielte. Um 4 Uhr rutschte ich mit dem Zuge fort; hatte sehr schweigsame, unerquickliche Reisegesellschaft, weßhalb ich die ganze Fahrt über im Michelet, im Insekt las und interessante Aufschlüsse über die Metamorphose der Insekten erhielt. Um 7 Uhr kam ich in Frankfurt an, wo Agnes Stubenrauch mich auf dem Bahnhof erwartete. Ihre Mutter, auf der Hinreise nach Steinspring sehr elend an Rheumatismus, fand ich sehr munter und froh über meinen Besuch. Ich habe Mutter und Tochter Beide sehr lieb und bin sehr gern mit ihnen zusammen. Ich mußte ihnen viel von Dir erzählen und nächsten Abend das italienische Tagebuch vorlesen, aus dem sie Dich kennen und schätzen gelernt haben; Agnes hat Dich hier in Berlin bei uns gesehen. Wir gingen früh zu Bett, wenigstens früh nach oben nach einem allerliebsten Zimmerchen, dessen freie Aussicht ich Dir schon in früheren Briefen geschildert zu haben glaube. Agnes und ich plauderten noch bis 12 Uhr, wo wir dann dem unerbittlichen Morpheus in die Hände fielen. Dienstag brach ein köstlicher Morgen nach dem trüben Regentage herein, die Vögel sangen lustig in den grünen Bäumen und Sträuchern der Anlagen vor der Thür; wir saßen plaudernd mit der Arbeit zusammen; dann spielte ich über eine Stunde quatre main mit der Landräthin, die sehr fest im Takt spielt, so daß es prächtig ging und ich mich für lange Entbehrungen aller Musik entschädigte. An wen ich dabei dachte, wirst Du wohl wissen. Nach dem Essen kam Anna Schultz, auch eine Freundin von mir, zu uns, sie ist stiller und ruhiger, wie Agnes und ich, aber sehr liebenswürdig und angenehm. Wir verplauderten ein paar Stündchen und machten dann einen herrlichen Spaziergang jenseits der Oder, wo der hübsche, freundliche Blick über die grünen Wiesen nach den kleinen Hügeln || hinauf, nach der anderen Seite auf die breite (aber seichte) Oder und die Stadt an ihren Ufern nach langer Zeit mich sehr überraschte. Auf dem Rückweg besuchte ich Petersens in der Stadt, die ich Alle wohl fand und sich nicht genug von den Steinspringern, namentlich dem klei Kle, wie Klärchen sich nennt, erzählen lassen konnten. Abends wurde erst die Zeitung studirt, dann las ich aus Deinem Tagebuch vor, dem die Landräthin und Agnes mit gespanntem Interesse folgten. Mittwoch Vormittag verging wie der vorhergehende, nur beschloß ich ihn noch mit ein paar Visiten bei Bertha, Minna Frankenberg (Sackschen Töchtern) und Frau Brodmann, die ich leider nicht zu Hause traf. Mittag aß ich bei Petersens, holte um 5 Uhr Agnes aus einer Nähschule von armen Kindern, die sie mit unterrichten hilft, ab und streifte mit ihr wieder in Gottes lieber Natur umher; schließlich gingen wir auch in Scheller’s Garten, der mir sehr gefallen [hat]; er ist parkähnlich angelegt, nicht in der gewöhnlichen verkünstelten Stadtmanier. Die farben- und duftreichen Frühlingsblumen blühten prächtig darin; namentlich war der Rasen ganz blau von Veilchen, von denen wir einen großen Strauß mit zu Haus nahmen. Den Abend verbrachten wir Alle drei bei Petersens, wo auch Klara und Eduard, der Baumeister, Bernhards Geschwister und Lieschen Kneiß, die Braut von Ferdinand Petersen mit ihrer Schwester sich eingefunden hatten. Es war sehr munter und angeregt. Bei hellem Sternenlicht gingen wir zu Haus. Donnerstag Morgen erhielt ich den lieben Brief von Dir, auf den ich nachher noch zurückkommen werde. Ich schrieb einen Brief an Heinrich, meine Ankunft in Berlin anzeigend und an Bertha nach Steinspring; später besuchte ich noch Klara Petersen und meine frühere Lehrerin, Fräulein Waltersdorf, unter deren, wenn auch nicht ausgezeichneter Leitung, ich eine glückliche Schul und Jugendzeit verlebt habe, an die ich mit Freuden zurückdenke; sie meinte der Spiritus in der ersten Klasse habe sehr abgenommen nach unserer Zeit und tolle Streiche, wie wir sie neben allemd Fleiß ausführten, kämen auch nicht mehr vor. Es ist eine leidige Manier, immer die || Vergangenheit als die glücklichere, bessere Zeit zu preisen, und trotz der Schmeicheleien, die in ihrer Expectoration über die früheren Zeiten, für mich und meine Altersgenossinnen lag, konnte ich unmöglich ihrem Urtheil beistimmen; der Aufschwung in der Gegenwart ist nicht zu verkennen und hat seine Schattenseiten mit denen der „glücklichen Vergangenheit“ gemein, wenn auch nicht dieselben. Nach Tisch unternahmen wir einen weiteren Spaziergang in der freundlichen Umgebung Frankfurts, wo kleine Hügel mit frischen Thälern, Alles bebaut und in der Üppigkeit des Frühlings prangend, abwechseln. Nachher besuchten wir Anna Schulz auf ein Stündchen und zogen uns dann zum Abend um zu einer kleinen Gesellschaft beim Hauptmann Schartow, Verwandter der Landräthin Stubenrauch, wo ich im Rouletspiel einen ganzen Silbergroschen gewann und mich theilweis gut unterhielt. Die blasse Sichel des Mondes leuchtete uns zu Haus und brachte Dir Grüße von Deiner lieben Aenni. Freitag Morgen wußten Agnes und ich unserer entschiedenen Neigung zur Faulheit nicht anders Luft zu machen, als oben von unserem Zimmerchen dem kindlichen Vergnügen nachzuhängen, duftige Seifenblasen aus thönern Pfeifen zu pusten und sie ine der Sonne in allen Regenbogenfarben strahlend, von der leichten Luft unseren Blicken entführt werden zu sehen. Wohl eine Stunde verbrachten wir auf diese Weise; dann zogen wir uns an und besuchten Benneckes, die eben aus Berlin zurückgekommen waren, wo der älteste Sohn Richard sich verheirathet hat, den wir Beide mit seiner Braut in Berlin in der Sinfoniesoireé sahen, und zur Frau von Wartenberg, geb. Esmarch, die seit 2 Jahren mit ihren Eltern in Frankfurt lebt. Wir hatten uns lange nicht gesehen, woher es viel zu plaudern gab, von Dir besonders, da sie Dich immer sehr gern gemocht hat. Ihrem Bruder und Frau und Söhnchen in Prag geht es gut; Ida’s Bruder hat ja eine Anstellung in Hamburg als Professor der Geschichte an dem dortigen akademischen Gymnasium erhalten mit 2000 Thalern Gehalt, doch weiß man noch nicht, ob er || sie annimmt. Schade, daß die Frau von Wartenberg so exaltirt ist, sie ist gescheut und gebildet; sie hat zwei allerliebste Kinderchen, einen Knaben und ein Mädchen, mit denen sie bei den Eltern lebt. f Nachmittag bald nach Tisch kam Anna Schultz, die mit uns Dreien nach der Buschmühle fuhr, einem beliebten Vergnügungsort der Frankfurter, den Du gewiß auch früher kennen gelernt hast; die Wiesen nach dem Wege dahin waren schon grün, die Beleuchtung der Berge und Oder allerliebst. Dort an unserem Bestimmungsort angekommen, wanderten wir über eine Stunde in der freundlichen Gegend umher, genossen einen sehr lohnenden Blick auf die Stadt Frankfurt und fanden an nassen Stellen des Waldes Anemonen und Veilchen, freilich gegen Deine prächtigen aus Rom wie verkrüpelte [!] Stiefkinder, die denn auf dem langen Rückweg nach Haus, den wir glücklicher Weise zu Fuß machten, schon halb verwelkt waren. Um 7½ Uhr kamen wir zu Haus, nachdem wir die größere Hälfte des Weges mit Frau Brodmann, die uns entgegen kam, zusammen gingen. Die laue Frühlingsluft hatte uns etwas müde gemacht, trotzdem wanderten Agnes und ich noch etwas in den Anlagen vor der Thür umher und schwärmten im matten Licht des Mondes, der gestern schon bedeutend zugenommen hatte und mir auf dem Rückweg von Deiner Mutter in der Leipziger Straße manchen Abend heraufbeschwor, wo ich mit Dir zusammen den Weg gewandert bin und glücklich und zufrieden in Deiner Nähe war. Die Zeiten werden wiederkehren, damit tröste ich mich in allen schwachen Stunden. Ich war gestern Abend mit Heinrich bei Tante Bertha, die wohl aber noch sehr bewegt über Onkel Bleek’s Tod ist. Alle kränkeln in Bonn, was mich sehr jammert. Ich habe von 12–6 Uhr vortrefflich in meinem Bett geschlafen, das doch immer das beste ist. Freitag Abend studirten wir noch eifrig die Kammerverhandlungen, in denen jetzt die Civilehe berathen wird. Die allgemeine Diskussion ist beendigt; morgen folgen die Specialdebatten; sie wird allem Anschein nach angenommen werden. ||

Sonnabend standen Agnes und ich früh auf und waren schon um 6 Uhr im Schellerschen Garten; die Luft war warm, aber der Himmel sehr bedeckt mit dichten Nebelwolken, die im Laufe des Tages als Regen sich entluden. Die Vögel sangen so lustig jubelnd; starker Thau lag auf Gras und Blumen, von denen ich einen großen Strauß pflückte und ihn Schellers zu ihrer großen Freude mitbrachte. Nach dem Frühstück, das dem ausgehungerten Magen vortrefflich mundete, packte ich meine Sachen zusammen und sagte dann noch Petersens und Lieschen Kneiß Adieu, die ich beim Plätten ihrer Ausstattungswäsche beschäftigt fand, eine Beschäftigung, die an und für sich nicht sehr angenehm ist, von einer Braut aber doch mit Neid angesehen wird. Dann aßen wir gemüthlich zusammen Mittag und um 3 Uhr rutschte ich schon wieder den lieben Freunden davon, mit denen ich so manche Erinnerung aus früheren Jahren aufgefrischt hatte und durch einen mündlichen Austausch der Gedanken und Gefühle wieder um Vieles näher getreten bin.

Ein langer, lieber Besuch von Onkel Scheller, liebster Erni hat die Zeit so vorrücken lassen, daß ich mit Schrecken sehe, daß es 1½ Uhr ist; ich will den Brief gern abschicken, sonst bist Du zu lange ohne Nachricht, drum kann ich nicht mehr auf Deinen Brief eingehen. Es ist mir sehr leid, daß Deine Pläne in Betreff der Tour in’s Albanergebirge, das so sehr reizend sein soll, vereitelt worden sind, noch mehr bedauere ich aber, daß Du nicht doch ein paar Wochen in Rom geblieben bist, con amore die herrlichen Genüsse eingesogen hast, wo Du in Neapel doch nicht ordentlich arbeiten kannst. Du scheinst aber ganz nach meiner Manier, Dir die Lichtseiten herauszusuchen und diese erste Zeit zu Ausflügen zu benutzen, an denen die malerische Umgegend reich ist. Der Bekehrungsversuch von Dir hat mich königlich amüsirt; ich muß gestehen mich ekelt der Katholicismus auch an mit seinen abgeschmackten Formen und Dogmen, die das Herz so arm und leer machen müssen, daß ich nicht begreife, wie ein Mensch mit Verstand sich zu ihr bekennen kann. Genug für heute, lebe wohl, mein herziger Schatz, gutes Wetter, reichen Seethierfang und scharfes Auge dazu wünscht Dir Deine treue Aenni.

a gestr.: mein; b eingef.: ihn; c bei meiner Erkältung; d eingef.: allem; e korr. aus: wie; f gestr.: Freit

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.04.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34445
ID
34445