Sethe, Hermine

Hermine Sethe an Ernst Haeckel, Stettin, 15. Februar 1852

Stettin 15ten Februar

1852.

Lieber Ernst!

Zum Letztenmal sage ich Dir, Schüler des Gymnasiums zu Merseburg, meinen herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag, den Du hoffentlich künftiges Jahr als wohlbestellter Studiosus in Jena feiern wirst. Das wünsche ich Dir vor allen Dingen, neben der gänzlichen Wiederherstellung Deines Knie‘s. Was hast Du denn aber eigentlich angefangen. Bist Du so viel herumgesprungen, vielleicht aus Freude noch ina dem schönen Merseburg leben zu können!!!!! Das für Dich ja immer so unendlich viel Reize besaß. So göttlich Dein Verehrter Herr Schleiden auch sein mag, so weißt Du doch nicht, ob Du bei Jena auch Salzpflanzen || finden wirst; und was wolltest Du wohl in einer Stadt machen, bei der es keine Salzpflanzen giebt!

Karl hat mir übrigens in seinem letzten Brief die frohe Nachricht mitgetheilt, daß Deine schriftlichen Arbeiten Alle das Examen bestanden haben. Erlauben der Herr Schwager, daß ich ihm dazu Glück wünsche und ein Gleiches zu dem vielgefürchteten mündlichen beifüge? Vielleicht kommst Du schon als halber Student nach Berlin, um dort die schlimme Zeit des 3ten Examens mit Deinem Bruder durchzumachen. Denn im letzten Brief schreibt er, daß er kaum glaube vor Ostern noch den Termin zu bekommen. Das wäre nun sehr unangenehm, wenn er das Fest über ohne b alle menschlichen Gedanken sein sollte, und dann könnte er ja auch nicht einmal herkommen. Nein, dann wäre ich ganz unglücklich, Weihnachten und Ostern nicht herzukönnen, das wäre doch zu hart. ||

Mutter die in Berlin krank war, ist auch hier noch einmal nicht ganz wohl, obgleich es ihr viel besser geht. Einmal ist es überhaupt unangenehm wenn die Mutter krank ist und noch ganz besonders jetzt für Bertha und mich, da jetzt viel Gesellschaften auch Bälle sind, die wir mit Vater besuchen müssen. Ich wollte, das hörte bald auf; dabei herrscht hier ein ungeheuer großer Luxus, den wir nie mitmachen, dadurch denn auch immer amc Einfachsten angezogen sind. Heute Abend ist Thee und Tanz beim Präsident Selbstherr, auf den wir uns unbeschreiblich freuen??

– Spazieren gehen wir viel, aber botanisirt habe ich noch gar nicht, das liegt aber nur in der Jahreszeit, nicht wahr? Da könnte ich doch Nichts finden. Wenn Du oben das kleine Bildchen ansiehst, glaubst Du nicht lebhaft einen jungen Naturreisenden vor Dir zu sehen, wie erd unter dem, gegen die heißen Sonnenstrahlen aufgespanten Sonnenschirm sitzt, und eine Abhandlung oder auch nur Notizen aufschreibt über die vor ihme sich ausbreitente, reizend lachende Gegend? Anfangs glaubte ich mein geschickter Herr Schwager hätte sich selbst so gezeichnet und mir den Bogen zart verehrt. Aber bittere Täuschung, er stammt aus einer || Lotterie. Das mußt Du aber doch anerkennen, ich hätte keinen passenderen Bogen für Dich wählen können.

Hoffentlich beantwortet mir der Schwager meinen Brief und erzählt mir dann auch, wie er den Geburtstag verlebt hat. Wenn ich nicht irre ist wohl der Erste, denn Du ohne Deine Eltern feierst. Da mag Dir gewiß schwer ums Herz geworden sein; Du armer Schelm. Gut aber daß Du die schriftlichen Arbeiten bereits glücklich hinter Dir hast, da wirst Du doch fidel und glücklich sein. Die vielen Freunde Deiner Eltern werden g Dir gewiß an dem Tage irgend eine Freude bereitet haben.

Daß mein Brief noch zur rechten Zeit zu Dir kommen wird, wage ich kaum zu hoffen, dah es zu spät geworden ist, so daß er heute nicht mehr nach Berlin kommt.

Was sagst Du denn zu Richters Verlobung? ich habe mich sehr darüber gefreut.

Vorgestern bekam ich einen sehr glücklichen Brief von ihm; worin eri mich auch zum Polterabend einladet.

Nun leb wohl, j sei herzlich gegrüßt. Allen die sich meiner noch erinnern schönen Gruß.

Deine Schwägerin Hermine.

a eingef.: in; b gestr.: All; c gestr.: die; eingef.: am; d eingef.: er; e eingef.: ihm; g gestr.: werden; h gestr.: s; i irrtüml.: ich; j gestr.: sehr

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1852
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34019
ID
34019