Haeckel, Hermine

Hermine Haeckel an Ernst Haeckel, Ziegenrück, 17. Juli 1853

Ziegenrück d. 17ten Juli

1853

Geliebter Schwager med.!

Entschuldigen wegen unseres Nichtschreibens will ich mich gar nicht, weil ich nur zu wohl längst eingesehen habe, wie Unrecht es war und wie es eigentlich nur ein Verschleppen genannt werden kann. Also davon still, sondern Dir von ganzem Herzen gedankt für Deinen Brief, der uns ungemein viel Freude macht und Karl ganz besonders entzückt, weil er Deine brüderliche Liebe zu seiner kleinen Frau ausspricht. Daß mich selbst diese sehr erfreut und beglückt brauche ich Dir nicht zu sagen, wohl aber, daß Du dadurch mich für geschaffen hälst Deinen einzigen Bruder, meinen lieben Karl glücklich zu machen. Das Bewußtsein, den Mann glücklich zu wissen war mir am 8ten das schönste Gefühl. Den Tag waren wir sehr vergnügt und || glücklich, einmal über uns selbst und dann auch über all die Liebe, die mir von so vielen Seiten zuströmte; auch von Deinem Alten kam ein sehr lieber Brief; Geschenke reichlich, darunter Dein Steinwein, den wir noch unberührt gelassen /: ich fürchte mich vor einem Haarbeutel :/ Karl hat mir einen sehr schön schlagenden Kanarienmatz geschenkt, der im Fenster nach der Sornitz aufgehängt, recht tapfer seiner neuen Herrin vorpfeifft. Daß ich im Sommer jetzt täglich die hübsche Stube bewohne kannst Du denken, täglich ergötze ich mich an der herrlichen Aussicht und möchte, daß sie noch mehr Menschen genießen könnten. Was gebe z.B. unsere liebe Tante Bertha darum, wenn sie einmal an meinem Fenster sich über die Aussicht freuen könnte. Daß es mit ihr noch fortwährend widera alles Erwarten so gut geht, weißt Du wohl. Sie schickte mir ein sehr gelungenes, leider etwas sehr krank aussehendes Daguerotyp von sich, in vollem Staat am Nähtisch sitzend; wie ich mich darüber gefreut ist begreiflich. –

Am 8ten Abends || waren die Bekannten bei uns im Garten, herrliches Wetter, bis spät mit der Lampe im Garten gesessen, umschwärmt von Glühkäfern, die es am Schloßberg fast mehr als Schotenbiester giebt. Kalte Mehlspeise, Erdbeerbowle und Baumtorte von Deiner und meiner lieben Mama, da hast Du die Feier.

Und nun will ich versuchen Dir zu erzählen was Du nicht weißt: daß ich sehr glücklich in Berlin u. Stettin war trotz eines plötzlich sich einfindenden bösen Fingers, der mir viel zu schaffen machte; jetzt erst ist der neue Nagel ganz wieder da, – in Stettin mit Erfolg Tisch gerückt u. geklopft; glücklich den 7ten abgereißt, in Apolda vonb Mann und Adolph Schubert abgeholt, der aus Spanien kommend 4 Tage bei uns blieb und sich zu gefallen schien, sehr wohl aussah und sich jetzt in Schlesien angekauft hat. Seitdem leben wir ruhig weiter, bestellen den Garten, sehnen uns nach frischem Gemüse und Obst, das bis jetzt nur in Walderdbeeren besteht, die aber sind ganz herrlich und werden in großer Menge vertilgt. Abwechselnd schönes und sehr stürmisches Wetter, immer herrliche Aussicht, und im Hause wie in der Natur Frieden. Karl war zwischendurch in Jena zu Krukenbergs Hochzeit, von der er sehr vergnügt heim || kam.

Das hiesige Schützenfest ist abgehalten und so wäre der Glanzpunkt der Ziegenrücker Festlichkeiten längst vorbei, auf das die guten Bürger sich das ganze Jahr freuen, obgleich das ganze Fest selbst mit Wurstbuden sehr harmlos verstreicht. An einigen Tagen finden sich die hohen Honoratioren auch ein, natürlich versäumten wir nicht zu erscheinen.

Jetzt sprechen wir viel von der baldigen Ankunft des Schwiegerpapas, die für mich doppelt erfreulich ist, weil er, einen Tag nach Erfurt reißt und von dort Marie v. Grolmann mitbringt, die uns auch besuchen will. Vielleicht kommt im Herbst Vater auch noch, sicher steht uns Deine u. der Mutter Ankunft bevor, sodaß der Herbst sehr reizend zu werden verspricht, besonders wenn der Schwager alle Grillen abgewaschen hat, wozu er jetzt schon einen löblichen Anfang gemacht hat. Kurz nach Ankunft des Alten wird Karl mit, Harras Reißert, Lindig, und dem Rath Voigt eine Reise ins Bairische bis Nürnbergc [machen], worüber ich mich Karls wegen außerordentlich freue.

– Die Meinigen sind seid 8 Tagen Alle im schönen Heringsdorf und stürzen d sich täglich in die Wellen, möchte das auch wohl, aber nicht wenn Karl nicht mit könnte, also tauche [ich] in die Saale und singe das Oberonsche Meerlied. – Ade leb wohl, behalte uns lieb und komme recht gesund her, wo dann Deine Schwägerin schon für Stillung des Hungers sorgen wird.

a korr. aus: wieder; b korr. aus: vom; c eingef.: bis Nürnberg; d eingef.: sich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.07.1853
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 34010
ID
34010