Sethe, Hermine

Hermine Sethe an Ernst Haeckel, Stettin, 12. November 1851

Stettin d. 12 Oktober 1851

Lieber Ernst!

Längst schon habe ich versuchen wollen Dir Deinen Brief zu beantworten, ähnlich dem Deinen, aber je länger man wartet, desto schlechter geht es, wie figura zeigen wird. Wenn ich also wage meinem geliebten Schwager in spe ehrfurchtsvoll einen Dank zu sagen, so werden meine paar Worte nicht im Stande sein, die große Freude, diea mir Dein Brief gemacht hat zu beschreiben. Ich war gerade zum Essen in N: 6, las Deinen Brief vor, als der Alte in sehr guter Laune, b ein Gewisser dagegen, wie Du denken kannst, vergraben im Landrecht und sehr pensiv! Das glaubst Du Alles, aber nicht wenn ich Dir mittheile, daß er in dieser kurzen Zeit singen gelernt hat; leider beschränkt esc sich nur auf 4 Strophen, die er aber ganz perfeckt || auswendig gelernt und trug sie sehr ausdrucksvoll seiner Erwählten vor wie folgt: „Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an Dein kühles Grab, und reise dann sobald Du kannst, in Gottes Namen ab.“ Was sagt Dein brüderliches Herz dazu? Ich habe durch die That geantwortet und bin seit 14 Tagen hier, aber leider immer noch mit Schnupfen und Husten, der trotz aller Sorgfalt und Mittel nicht weichen will, zu meinem großen Kummer. Jetzt bin ich nun so weit gekommen, daß ich seit beinah 3 Wochen keinen Schritt vor die Thür gehe, ja kaum einmal des Tags in die Küche komme. Daß es je soweit mit Deiner Landplage kommen würde, hätte ich mir nie gedacht; trotzdem bin ich vergnügt und munter und wünsche mir Nichts mehr, als daß Karl, das Examen glücklich möge bestanden haben.

Morgen werde ich Deinen und meinen || Papa sehen und heute den 14 ist er schon einen Tag hier. Wenn die Veranlassung auch eine traurige war, so freue ich mich doch ihn hier zu sehen und daß so wohl und munter. Gestern früh 10¾ Uhr kamen die Herren von Berlin hier, rassirten sich und frühstückten und fuhren dann zum Bahnhof von wo um 12½ Uhr die Leiche der guten Tante Sack zum Kirchhof gebracht wurde, und neben dem Onkel in die Gruft gesenkt wurde. Nachher waren Alle zu Mittag und Abend hier, Dein Vater, Onkel Julius, August Jacobi, der Landrath v. Reiman aus Aachen, die beiden jungen Saluskowski‘s und Karl Düring mit Frau. So eben ist ein Theil wieder abgereißt, August, Hr. v. Reiman und die beiden Saluskowski‘s; um 4 Uhr wird Onkel Julius reisen so daß dann das Haus wieder leer ist bis auf meinen Schwiegerpapa, der so liebenswürdig ist bis Sonntag früh zu bleiben. Da muß ich ihm doch nothwendig an meinen lieben Schatz einen Brief mitgeben, der ihn hoffentlich ein wenig nach seinem Landrecht aufkratzen wird. Denke Dir daß Meier, der so lange Nichts von sich hören ließ seit ¾ Jahren verlobt ist und nächstens || auch zum großen Examen nach Berlin kommt. Karl freut sich sehr darauf. Die ersten Tage wird er bei Deinen Eltern wohnen; ich möchte ihn gern einmal wieder sehen, es war ein sehr netter Mensch. Ob er sich auch gewundert hat daß Karl sich mit seiner Cousine mit der langen Nase verlobt hat, wie Esmarch? Hat Dir Karl erzählt, daß wir zusammen der Frau Esmarch einen Besuch gemacht haben und sie uns sehr wohl gefallen hat?

Was übrigens meine Titel anbetrifft, so mache Dir darüber nur ja nicht lustig, darum würden mich gewiß sehr Viele beneiden. Die Titel lasse ich mir schon gefallen; d Dein Brief ware mir übrigens ein Beweis Deiner munteren Laune; wenn es auch oft Kohl giebt so giebts doch auch was anderes, darüber gräme ich michf noch nicht, dazu kommt denn manchmal ein Pflästerchen von der Mama –––– ! nicht wahr? und von der Schwägerin nur ein herzlicher Gruß mit dem Wunsch, daß es Dir gut bekommen möge.

Die Merseburger Bekannten, worunter Karos nicht zu vergessen sind, auch den Diakonus Simon und die Tochter, ebenso Merkels bitte ich schön von mir zu grüßen, wenn sie sich meiner noch erinnern. Was macht der Fuß von Marie Simon?

Dich besonders grüßend bleibe ich Deine

Schwägerin, aber keine Landplage. Mimmi.

a korr. aus: Dich; b gestr.: der; c eingef.: es; d gestr.: wen; e eingef.: war; f eingef.: mich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.11.1851
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34008
ID
34008