Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling)

Wilhelmine Sethe an Agnes und Ernst Haeckel, Frankfurt, 19. Januar 1871

Frankfurt d 19t Jan. 1871

Liebe Agnes u. Ernst!

Da ich von Euch beide zugleich einen Brief erhielt, werdet Ihr es mir wol erlauben daß ich Euch zusammen antworte, indem mir das Schreiben immer sehr schwer wird.

Zunächst meinen herzlichen Glückwunsch zu dem neu angekommenen Töchterchen, was doch gewiß doppelt willkommen war, da nun der kleine Walther ein Schwesterchen erhalten.

Ich freue mich daß es Mutter und Kind so wohl ergeht, und wünsche von Herzen, daß es so fortfahre.

Der kleine Walther muß ja ein ganz prächtiges Kind sein, der Papa scheint ganz || stolz darauf zu sein daß er ihm so gleicht dem Portrait als Kind von ihm, als daß er eben ein solcher Strick ist, und dieselben Liebhabereien hat. Nun will ich noch hoffen und wünschen, daß er eben so tüchtig und brav wird. Aber der Mama wird er noch manches zu schaffen machen, wenn sie ihn eben so verwöhnt wie die Mama den Ernst verwöhnte, aber das ist ja nicht nothwenig.

Ich kann mir es sehr gut vorstellen wie Euch der Gedanke an eine Versetzung beschäftigt, wobei ihr beide so sehr betheiligt seid.

Die arme Agnes wol am meisten, die erste Trennung von der Heimath und besonders von der Mutter, ist nichts leichtes, sondern recht schweres. ||

Das weiß niemand besser zu schätzen als ich, die ich so viel und weit habe wandern müßen, und überall so gern waren, und so ungern geschieden.

Aber ich habe mich überall bald wieder gefunden, nahm ich doch überall mein ganzes großes Glück mit, und dann findet man sich bald wieder. Und so wünsche icha daß Du eine glückliche Wahl triffst lieber Ernst.

Der Bekannte sind noch wenige in Jena, die aber noch da sind, bitte ich meinen herzlichen Gruß.

Hörst du noch etwas von Frau Schleicher? wie es ihr geht

Sonntag war Heinrich einen Tag hier, und hat mir von da und Potsdamm gute Nachrichten mitgebracht. ||

Dem lieben Alten geht es ja noch immer in derselben Weise fort, nicht zu beneiden, ich wünsche mir nicht so langes Leben, aber wie der liebe Gott es bestimmt.

Ich habe einen sehr kläglichen Winter verlebt, fast immer Hausarest und recht unwohl, so, daß mirs recht nahe getreten daß ich 70 Jahre zähle. Tante Bertha hat sich ja den kranken Fuß vertreten, und liegt schon 5 Wochen, das ist doch recht schlimm.

Möchten wir doch bald einen ehrenvollen Frieden bekommen, dass dies furchtbare Blutvergießen und zerstören aufhört es ist doch entsetzlich wie die Franzosen ihr schönes Land zerstören für nichts, denn einen Erfolg können sie doch nicht erwarten.

Aber nun adee liebe Kinder, seid herzlich gegrüßt mit Euern Kindern.

Eure treue Mutter

b Hörst noch wol etwas von Bertha? Die verdrehte Schrulle! Schade darum, denn ein tüchtig Mädchen ist es doch.

c Wie ist es prächtig daß Carlchen sich so erholt, Mutter schreibt mir ganz glücklich wie wohl und munter er ist. Ich kann nicht leugnen, ich habe mich unbeschreiblich geängstigt. Bei meinen andern Kinder geht es ja gottlob überall gut.

a weiter am Rand v. S. 4; b weiter am Rand v. S. 1

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
19.01.1871
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33887
ID
33887