Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling)

Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 13. Februar 1870

Frankfurt 13t. Febr. 1870

Lieber Ernst!

Es war mir sehr leid, Dich nicht zu sehn, bei Deiner Anwesenheit in Berlin, habe durch meine plötzliche Abreise vieles entbehrt, aber es war doch das Richtige. Der so unerwartete Tod unsres lieben Freundes Scheller, rief mich fort, ich hätte um keinen Preis die arme Emma in ihrem tiefsten Schmerz allein lassen können, mußte die Trauertage mit ihr theilen. Ich habe einen treuen alten Freund verloren, was ich tief beklage. So geht einer nach dem andern fort bis wir selbst heimgehn.

Es war das erste Jahr, wo ich das Fest verlebte, ohne Kinder und Enkel, was mir recht schwer war. || Von meinen lieben Potsdammer Enkeln habe ich keins gesehn, nur Karl und Clara bei Heinrichs Taufe. Ich wollte Dir auch so gern zum Fest eine kleine Freude machen, da ich aber nun nicht da war ging alles so eilig. Da habe ich mir es aufgehoben bis heute.

Wie ich höre, hast Du so große Freude über Deinen Sohn da denke ich, wird Dich am meisten etwas erfreuen, was für ihn bestimmt ist.

Ich freue mich sehr über Dein Glück über ihn, und so hoffe ich soll sein Glückwunsch Dir einen frohen Geburtstag bereiten, wo ich denn auch meine Wünsche hinzufüge.

Wenn Du den Kranz zu Anna bringst, grüße sie von ihrer treuen Mutter, die ihrer schmerzlich gedenkt. ||

Die Nachrichten von Berlin lauten ja im Ganzen gut, kleinen Erkältungen abgerechnet, und das Leiden der armen Tante Gertrud, was ich sehr beklage, besonders, da ihr ja nicht zu helfen ist.

Dein alter Vater hält sich ja merkwürdig gut bei dieser grimmen Kälte, die man seit Jahren so streng gar nicht kennt.

Der Winter ist nie mein Freund, und diese Kälte will mir gar nicht gut thun.

Ich sitze schon viele Wochen ganz drinnen, und fühle mich sehr unwohl, daß ich manchmal ganz melancholisch werden könnte da es beinah immer dasselbe ist. Aber Geduld, das Alter will seine Rechte haben, da läßt sich || Alles nicht so leicht abschütteln, geht mirs doch noch viel besser, als hundert andere meines Alters. Das muß mich oft trösten.

Siehst Du Dich noch so viel mit Gegenbauers, und ist sie wieder eine so nette Frau, als die Erste? und wohnt er noch dieselbe Wohnung. Was machen die andern Freunde für die ich mich alle interessiert habe? Wie geht es der armen Wittwe Frau Scher – ist sie noch in Jena und die Bertha noch bei Dir? Hier spricht man noch manchmal von das wunderbare Kräutchen. Aber brauchbar war sie bei alledem.

Aber nun will ich Dir Lebe wohl sagen, grüße Dich herzlich mit den Deinigen, und wiederhole meinen herzlichen Glückwunsch.

Deine treue Mutter

a Zum verpacken habe ich mich der beiden Formen bedient, die ich aber nicht lange entbehren kann. Bis anfang Aprill hätte ich sie gern zurück, vielleicht hast Du mal etwas nach Berlin zu schicken, wo Du Dich ihrer bedienst. Helene kann sie mir dann besorgen. Wo nicht bitte ich sie mir, direckt zurück.

a weiter am Rand v. S. 1

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
13.02.1870
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33886
ID
33886