Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling)

Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 11. Februar 1868

Frankfurt d 11 Febr 1868

Lieber Ernst!

ich bin eben lange mit mir zu Rathe gegangen, ob ich Dir schreiben soll oder nicht.

Dies lautet eigenthümlich, und ich hoffe Du wirst mich nicht miß verstehen.

Leider ist ja grade Dein Geburtstag, auch der so traurige Sterbetag. Ich kann das eine Ereigniß unmöglich von dem andern trennen, in Gedanken wirst auch Du dies nicht vermögen, denn ich weiß es zu gewiß, daß Du Anna nie ganz vergeßen kannst.

Nur finde ich daß es etwas ganz anderes ist, seinen Gedanken folgen, oder seinen Gedanken Worte geben. – – ||

Seitdem Du wieder verheirathet bist, hast Du auch theure Pflichten gegen Deine Frau zu erfüllen, was Du nie unterlassen darfst. Datzu gehört nach meiner Ansicht auch, daß Deine Geburtstagsfeier, eine frohe sein muß, und was sie schweres für Dich mit sich bringt, mußt Du tragen als Christ, als vom lieben Gott Dir auferlegtes, aber im stillen für Dich, ohne Eure Freude zu stören; Ich glaube daß Deine Frau dies erwarten kann und Du wirst es ausführen können, mit einiger Selbstbeherrschung ohne ein gänzliches Vergeßen des vergangenen so großen Schmerzes was mir ja ein schmerzlicher Gedanke sein würde, wenn ich dies für möglich hielt.

In diesem Sinne waren meine Worte gemeint, wenn ich sagte || ich würde nicht einig mit mir, ob ich Dir schreiben solle oder nicht, weil dadurch doch immer die schmerzliche Seite dieses Tages mehr hervorgerufen wird.

Ich komme heute in derselben alten Weise, daß Du weißt wie Du mit mir daran bist, ich möchte nicht gern von Dir verkannt werden, da ich es so redlich mit Dir meine; – –

Eben wo ich an Dich schreibe trifft Dein lieber Brief ein. Ich danke Dir herzlich dafür, ich hatte so lange nichts von Dir gehört, da freue ich mich doppelt so ausführlich von Deinem Leben zu hören.

Dass du wieder eine glückliche Häuslichkeit hast, freut mich sehr, und die freudige Aussicht wird sie immer mehr erhöhen, denn das innigste und bleibenste Band im ehelichen Leben ist doch ein liebes Kind. Und so wünsche || ich Dir ein recht frohes und glückliches Jahr und der Himmel Deine liebsten Wünsche in Erfüllung gehen lassen.

Ich kann mirs denken, daß ihr an dem großartigen geselligen Treiben nicht viel Gefallen habt, ein kleiner gemüthlicher Kreis bietet auch viel schöne Freuden. Die Spaziergänge mit Deinem Freund Gegenbauer werden allso immer vorgesetzt und bitte mich ihm Deinen Leidensgefährten gelegentlich zu empfehlen. Mir geht es diesen Winter im ganzen besser wie früher, aber des Alters Gebrechen machen sich sehr merklich, besonders in einer unbesiegbaren Schwäche, ohne besonders krank zu sein, was mir oft sehr störend ist, da der Geist frisch, so ist mir dies in einer gewohnten Thätigkeit sehr hemmend, eben so, die Abnahme meiner Augen. Aber da ist nichts dagegen zu machen, das Alter will auch seine Rechte haben. Meine kleine Weihnachts Reise nach Landsberg ist mir immer recht schwer, eines || Theils, weil es eine Winter Reise ist, und der Winter ist nicht mein Freund, und andern Theils, da es immer zu schwer ist, meine liebe Hermine nicht mehr dort zu finden. Und doch zieht es mich immer wieder hin, ich könnte die Weihnachtstage nirgend anders zubringen, als dort, unter das kleine Volk.

Ich fand ja Alle recht wohl und munter, der kleine Julius wieder ganz prächtig, und unter guter Pflege und Aufsicht, was doch ein großer Seegen ist. Wenn Carl nur erst wieder ganz besser wäre! ich muß gestehn, der arme Junge macht mir viel Sorge, wenn es auch den Anschein der Beßerung hat. Möge der liebe Gott, die armen Kinder in seinen besondern Schutz nehmen. Ach lieber Ernst ich kann nicht sagen, wie weh mir oft ums Herz ist. ||

Bei Schellers geht es den Winter gut, er ist wohler wie früher aber ich kann mirs nicht verhehlen, daß er schwach wird. Auch bei Petersens und Stubenrauchs geht es gut.

Von Zeigenort habe ich gute Nachrichten, es geht ja Allen gut und Bertha tummelt sich frisch in ihrer großen Wirthschaft umher.

Von Schlötnitz höre ich ebenfalls nur Gutes, Lucie hat sich ganz erholt, war schon wieder mit Carl in Heinrichsdorf bei der Mutter.

Nur können beide, immer noch nicht den Schmerz verwinden über die vereitelten Hoffnungen, was mir auch gar zu leid ist. Von Berlin lautet ja auch Alles gut, was Du aber immer frischer von den Eltern hörst. ||

Und so mein lieber Ernst sage ich Dir Lebewohl.

Wünsche Dir nochmals Alles Liebe und Gute in dem neuen Jahr, und sei mit Deiner Frau aufs herzlichste gegrüßt, und vergiß mich nicht.

Deine treue Mutter

Sage doch an Bertha, daß der Predg. Borgius sich verlobt habe, mit Frl. von Malzahn.

Sie interessierte sich so sehr für ihn.

a Daß Du so viel Anerkennung Deiner Verdienste hasst, freut mich sehr, werde nur nicht zu eitel.

b Warum hat denn Hr Simson seine ganze Kariere und Jena verlassen? Hier ist man sehr verwundert darüber.

a weiter am Rand v. S. 5; b weiter am Rand v. S. 1

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
11.02.1868
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33881
ID
33881