Sethe, Wilhelmine (geb. Bölling)

Wilhelmine Sethe an Ernst Haeckel, Frankfurt, 19. Februar 1865

Frankfurt d 19 Febr 1865

Mein lieber Ernst!

Der schwere Tag ist uns nahe wo uns unsere liebe Anna genommen, dessen gewiß alle liebe Freunde und Angehörigen mit tiefen Schmerz gedenken.

Die trauernde liebende Mutter gehört wol zu den ersten da sie dem geliebten Kinde am nächsten steht und keinen Ersatz erreichen kann.

Und doch, wie leicht wird mirs, und wie gern stelle ich mich zurück, wenn ich Deiner gedenke, mein armer lieber Ernst. Dein großes irdisches Glück ist Dir gestört, durch ihren Heimgang, Du stehst wieder allein, in Deinem Hause, hast nur das Andenken an die genoßene Freude und Glückseeligkeit, und das ist schwer || sehr schwer, für ein so junges Leben wie Du bist.

Glaub mir, ich fühle mit Dir den vollen Schmerz Deines armen Herzens, und weine mit Dir die schmerzlichsten Thränen um unsere liebe Anna. Wie wird der Tag Dir schwer sein, ich begleite Dich in Gedanken zu ihrem Grabe, und gedenke ihrer mit tiefer Trauer und inniger Liebe.

Und wenn wir ihrer gedenken, dann laß uns auch mit dankbaren Herzen des Vaters gedenken, der sie abgerufen in sein Reich, daß er ihr ein so schönes leichtes Ende gegeben, wie es wol kein zweites geben kann.

Unbewußt daß ihr Ende nahe sei, ohne Kampf, ohne Schmerz, in den Armen des geliebten Mannes, so leicht von hier scheiden, ist wol etwas sehr schönes, wie ich es kaum, je gehört. || Wir müssen Alle denselben Weg gehen, wohl dem der so schön und leicht überwunden. Und so in dem Gedanken an die liebe Heimgegangene, wollen wir ihrer in Liebe gedenken, mit der sichern Hoffnung, daß sie mit ihrem Geist, ihren Lieben nahe ist, daß sie ahndet, sieht wie wir ihrer gedenken, wie wir um sie trauern. Möge ihre Nähe Dich ganz besonders stärken, daß Du lieber Ernst, Deinen Schmerz, Deiner und ihrer würdig, als Mann trägst, und als Christ Dich ergeben fügst, in des Himmels Rathschluß und Deinen schönsten Trost findest, in der schönen Verheißung, des Wiedersehens in jenen Räumen. Dies ist mein innigster Wunsch für Dich mein lieber Ernst an Deinem traurigen Geburtstage. || Mir hat es den Winter wieder nicht gut ergangen, meine viele rheumatische Schmerzen, haben sich in Gicht verwandelt, und zwar im Kopf und Magennerven, was mir viel Schmerz und Unbequemlichkeit verursacht. Die Folge ist, daß ich wieder nach Wiesbaden soll, was mir sehr unbequem ist. Dabei leide ich an einer fabelhaften Müdigkeit und Abspannung. Das Alter ist da und macht seine Rechte geltend, da heißt es still halten.

Wenn die Kälte vorüber, wird es wol besser sein, die kann ich nicht ertragen, und ist in diesem Winter sehr anhaltend.

Ich habe die große Freude gehabt, Karl längere Zeit hier zu haben, wo wir recht gemüthlich zusammen gelebt. Morgen geht er nach Kyritz zu Hr Hoppe das wird mir schwer werden ihn zu entbehren. Er grüßt Dich herzlich und theilhabend. Und nun adee mein lieber Ernst. Sei meiner innigen Liebe und Theilnahme gewiß. Der Himmel sei mit uns.

Deine treue Mutter.

a Von Landsberg und allen Geschwistern habe ich gute Nachrichten. Hier geht es auch Allen gut, nur Scheller leidet viel an schmerzlicher Gicht in den Händen.

b Dass es dem Vater wieder so wohl geht, ist zu bewundern in diesem Alter, nach solcher Niederlage. Der liebe Gott möge uns den alten lieben Mann noch lange erhalten in diesem Befinden.

c Tante Bertha erholt sich ja auch allmählich, das alte Leiden ist es nicht gewesen, aber was,? ist mir unbekannt, nur gut daß es bessert.

d Grüße auch dort die mir bekannte Freunde, die Dich heute gewiß mit inniger Theilnahme begrüßen. Diese Gewißheit ist mir viel werth für Dich.

a weiter am Rand v. S. 4; b weiter am Rand v. S. 3; c weiter am Rand v. S. 2; d weiter am Rand v. S. 1

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
19.02.1865
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33874
ID
33874