Jena 7 Jan 72
Meine lieben Freunde!
Für Ihre freundlichen Briefe und Glückwünsche zum neuen Jahre, sowie für die Übersendung Ihrer Dissertations-Arbeiten, sage ich Ihnen meinen besten Dank; und wünsche Ihnen ebenfalls für das kommende Jahr von ganzem Herzen Alles Gute, vor Allem glückliche Beendigung des schauerlichen Staats-Examens. Sie thun mir wirklich leid, daß Sie außer dieser anstrengenden Arbeit, die recht mürbe macht, auch noch die Praxis des Secir-Saals überwachen müssen. Nun, hoffentlich werden Sie bald erlöst sein. ||
Wir haben hier das neue Jahr in bestem Wohlsein angetreten, und Weihnachten sehr vergnügt in der Familie gefeiert. Unsere beiden Kinder machten uns dabei viel Freude. Vorgestern hatte ich kleine Studenten-Soirée, bei welcher auch Ihrer freundlichst gedacht wurde. Fleischer war aus Würzburg zum Besuch da; er ist von der überfüllten Klinik dort gar nicht erbaut, und will zum Herbst wieder her kommen. Er hat mir herzlichste Grüße an Sie Beide aufgetragen. ||
Ich selbst beschäftige mich jetzt nur sehr harmlos mit Museums-Arbeiten, welche der Spongien halber lange liegen geblieben sind. Ich habe ein paar Hundert Gläser zu bestimmen, etiquettiren, umzusetzen etc. Außerdem verbringe ich viel Zeit mit Durchsicht meiner Bibliothek, welche seit einigen Jahren brach gelegen hat.
Gegenbaur arbeitet an der III. Aufl. seiner Vergleichenden Anatomie.
Leubes Klinik hier macht sich recht gut und wird sehr gelobt. Über Kuno Fischers Nachfolger ist noch Nichts bestimmt. Es fehlt offenbar an Philosophen. ||
Ich freue mich sehr auf die Oster-Ferien, welche ich zu einer Erholungs-Reise verwenden werde, wahrscheinlich nach einem Theile des Orients, nach welchem ich seit unserer dalmatischen Excursion rechtes Verlangen habe.
Vielleicht gehe ich auch nach Messina, wo sich eine ganze Anzahl (3–4) junge Jenenser Zoologen versammeln werden. Was denken Sie zu thun? Doch nicht gar Kriegsdienste leisten?
An Max Schultze und Bleeks, wenn Sie sie sehen, freundliche Grüße. Hat Schultze die Spongien-Sammlung bekommen?
In alter Freundschaft
Ihr Haeckel