Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 4. Oktober 1874

Jena, 4 Octob 74

Lieber Freund!

Gestern Abend hier angekommen fand ich Ihre beiden lieben Briefe aus Helgoland vor, für die ich freundlichst danke. Ihre Mittheilungen über die Kerne der Polythalamien, die principiell von größter Wichtigkeit sind, und ebenso diejenigen über das acinetenartige Geschöpf haben mich höchlichst interessirt. Ich hoffe, das wird eine sehr hübsche Habilitationsschrift geben. Sehen Sie nur zu, daß Sie diesen wichtigen Akt recht bald hinter sich haben! ||

Ich habe mich in den fünf Wochen meiner Reise (vom 28. August bis 3. October) sehr erholt und erfrischt, war mit meiner Frau 3 Wochen in Salzburg, Salzkammergut, Berchtesgaden, dann mit Gegenbaur und Kuno Fischer 8 Tage am Bodensee und im südlichen Schwarzwald. –

Gestern auf der Eisenbahn traf ich einen Tübinger Studenten, der mir sagte, daß Leydig die Bonner Berufung anfangs zwar angenommen, dann aber wieder abgelehnt habe. Ich bitte Sie, mir umgehend mitzutheilen, ob das wahr ist. Ich glaube es nicht! || Sollte es wahr und mithin die Bonner Stelle noch vacant sein, so würde ich sofort Schritte thun, sie zu erhalten. Mindestens würde ich sogleich nach Bonn reisen, um mir die Local-Verhältnisse anzusehen. Ich bin nämlich, theils durch neuere Mittheilungen über die Bonner Verhältnisse, theils durch Gegenbaurs Eröffnungen, zu der Überzeugung gelangt, daß ich mit Ablehnung der Bonner Stelle einen der dümmsten Streiche begangen habe. Traurig, aber wahr! Übrigens bitte ich Sie, dieses reuige Geständniß für sich zu behalten. Hier in Jena sieht sich || die Sache ganz anders an, als außerhalb. Ich bedaure sehr, damals im Juli nicht sofort nach Bonn gereist zu sein.

– Ich bleibe diese Woche noch hier und gehe dann noch auf 8 Tage zu meiner Mutter nach Potsdam. (Schockstr. 30/31). Schreiben Sie mit, bitte, dorthin, falls etwas Wichtiges mitzutheilen sein sollte. An Oscar die herzlichsten Grüße. Auch meine Bonner Gönner und Freunde bitte ich zu grüßen. Hoffentlich sehe ich Sie recht frisch und wohlbehalten wieder.

Wie immer Ihre treu ergebener

E. Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.10.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33287
ID
33287