Ernst Haeckel an Oskar und Richard Hertwig, Jena, 4. April 1879
Jena 4.4.79.
Verehrte Collegen!
Für Ihren Brief, der mich sehr interessirt hat, danke ich bestens. Ich beneide Sie um den Frühlings-Aufenthalt in Messina. Wir sitzen hier noch im dicksten Winter. Der März war überaus scheußlich, der Schnee bis vor 14 Tagen noch über 1 Meter hoch, dabei ununterbrochen 2–8° R. unter Null! Erst mit dem 1. April ist der ersehnte Föhn von Italien gekommen. || Ich sitze seit Beginn der Ferien ununterbrochen in der systematischen Medusen-Literatur, ein schöner Augias-Stall! Der Druck der Arbeit hat jetzt endlich begonnen. Eimers Opus – dicker wie das Ihrige, aber kaum 1/10 Ihres Materials behandelnd! – ist jetzt endlich – mit der Jahreszahl 1878! – erschienen. Er bestiehlt Sie gehörig und schimpft zugleich so unverschämt, daß Sie eine geharnischte Antwort nicht umgehen können. Ein schönes Subject das! ||
Sollten Sie einige Medusen für mich sammeln wollen, so würde ich vorzugsweise um Aeginiden bitten, ferner Alles was von Acraspeden vorkommt, auch die gemeinen Arten; letztere können Sie einfach in Liquor conservativus oder in Alaun und Salz schicken (größere in Blechkisten); ferner Aequorea und wenn möglich Charybdea. – Kleinenberg, Todaro und Hatschek bitte ich bestens zu grüßen. Hatscheks Buch habe ich neulich mit Interesse gelesen. Vieles ist sehr gut, Anderes auch gründlich schief! || Da Hatschek die Echinodermen für dipleurisch hält (nicht für pent-amphipleurisch! –) möchte ich freundlichst ihn um das Recept bitten, wie man aus einem Paar Antimeren durch bloße Verwandlung fünf macht! Ich möchste dies Kunststück gern auf meine Kasse anwenden! – Hier ist Alles still. Daß Frau Luden und Frau Spiess plötzlich am „Herzschlag“ gestorben sind, und daß Sievers sich mit einer Miss Towell (aus dem Fischkasten, ursprünglich aus Dublin) verlobt hat, wissen Sie wohl schon! – An Klostermann, Jaeger etc – Alle die sich meiner erinnern – freundlichste Grüße. Besten Erfolg zu Ihrer Arbeit wünscht Ihnen
Ihr ergebener E. Haeckel