Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 3. Juni 1893

Jena 3. Juni 1893.

Lieber Richard!

Gestern erhielt ich durch Fischer die II. umgearbeitete Auflage Ihres trefflichen Lehrbuchs der Zoologie. Mit bestem Danke verbinde ich meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem glänzenden Erfolge. Ich habe schon im vorigen Jahre Ihr Lehrbuch meinen Studenten (in diesem Semester 60) als das beste empfohlen, und hoffe, daß es auch weiterhin immer mehr Wirkung gewinnen wird. Die Aufgabe, mit der ich vor 30 Jahren recht eifrig beschäftigt war, aber nicht zu Stande kam, haben Sie glücklich gelöst. || Hoffentlich geht es Ihnen auch sonst gut, und erfreuen Sie sich Ihres schönen Familienlebens, nachdem Ihre liebe Frau ganz genesen zurückgekehrt ist. –

Unsere italienische Reise verlief im I. Monat (Sicilien) sehr schön und glücklich; in Messina brachte ich eine herrliche Plankton-Sammlung zusammen (10 Kisten). Im II. Monat (Neapel, Rom) bekamen wir beide Influenza, ich außerdem eine Fußverletzung (durch einen Fall). Wir mußten daher Mitte April direct zurückreisen und konnten Sie nicht in München besuchen. Seit einigen Wochen ist auch meine Frau wieder hergestellt. ||

– Der tugendhafte und fromme Dr. Otto Hamann hat mich nun doch noch wegen seiner Characteristik im „Monismus“ verklagt (am 5. April). Er verlangt 6000 Mk Schaden-Ersatz wegen „Erwerbsstörung“, außerdem 1500 Mk Strafe wegen „Beleidigung“. Ich habe sofort Gegenklage eingereicht und hoffe außerdem den „Beweis der Wahrheit“ für meine schweren Beschuldigungen führen zu können. Die Verhandlung wird vor dem hiesigen Schöffengericht in der II. Hälfte Juni stattfinden. Ich hätte eine solche Nichtswürdigkeit von meinem „treuen und dankbaren Schüler“ für unmöglich gehalten. || Semon ist von seiner australichen Reise Anfang Mai wohlbehalten heimgekehrt: Er hat sehr viel Glück gehabt und eine herrliche Sammlung (vollständige ontogenetische Serie von Ceratodus und Echidna, viele Embryonen von Didelphien, Halicore etc – auch Plankton aus dem Indischen u. Australischen Meer) mit nach Jena gebracht. –

Kükenthal macht eine schöne größere Arbeit über Cetaceen.

– Der Frühling ist hier herrlich, nicht so trocken wie im Süden.

Meine Frau sendet mit mir Ihnen und Ihrer lieben Frau herzliche Grüße und beste Wünsche.

Ihr treuer alter

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.06.1893
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33261
ID
33261