Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 24. Oktober 1913
Jena 24.10.1913.
Lieber Freund!
Die guten Nachrichten von Ihnen und Ihrer lieben Familie, die Sie uns von Ihrem Tyroler Rittersitz Burg Persen zusandten, haben uns sehr erfreut. Ich habe vor Jahren einmal an dem schönen Caldonazzo-See einige Tage gemalt und mich an der herrlichen Gebirgsnatur erfreut. Jetzt kann ich diese nur noch in der Erinnerung genießen, da die unheilbare Verletzung des Hüftgelenks mir seit 2½ Jahren das Wandern und Reisen unmöglich macht. Leider kann ich auch nicht mehr wissenschaftlich arbeiten. Ich sitze meistens still in meiner einsamen Klosterzelle in der Villa Medusa und beschäftige mich mit Malerei und Philosophie, sowie Schreiben meiner Lebenserinnerungen. ||
Meiner Frau, die 5 Monate an den Folgen einer schweren Influenza im Bett zubringen mußte, geht es jetzt wieder leidlich. Wir leben ganz zurückgezogen und sehen selten einen alten Bekannten. Dagegen bekomme ich viele auswärtige Besuche. Unsern Kindern geht es gut. Walter ist zur Zeit in Lesina und Dalmazien wo wir im April 1871 (vor 42 Jahren) so interessante Reise-Wochen verlebten. Dr. Schaxel macht sich als Privatdocent recht gut; er war den Sommer (mit Frau) 4 Monate auf den Balearen (Mallorca). Beifolgender Aufsatz von Breitenbach (50 Jahre etc) interessirt Sie vielleicht, in Erinnerung an „Gute alte Zeiten“. Meine Frau sendet mit mir Ihnen und Ihrer lieben Frau herzliche Grüße! Treulichst Ihr alter
Ernst Haeckel.