Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 20. April 1914

Jena 20.4.1914

Lieber Freund!

Verzeihen Sie, daß ich Ihnen erst heute meinen herzlichsten Dank für Ihre freundlichen Glückwünsche zum 80. Geburtstage abstatte, und ganz besonders für den schönen Beitrag zu der ihm gewidmeten Festschrift. Ihre liebevolle Schilderung der nahen freundschaftlichen Beziehungen, welche uns seit nunmehr 46 Jahren eng verbinden, hat mich hoch erfreut und lebhaft in jene glücklichen Zeiten zurückversetzt, in denen ich Sie in die zoologische Wissenschaft einführen konnte, und später auf den gemeinsamen Reisen nach Lesina und Corsica die Genüsse der mediterranen Natur mit Ihnen teilen konnte. Daß Sie jetzt schon lange – als einer meiner besten und treuesten Schüler! – in München den berühmten (einst von mir gegehrten!) Lehrstuhl des trefflichen Siebold zieren, ist mir eine besondre Freude! || Daß ich mit meinem Danke so spät, nach 2 Monaten, komme, liegt daran, daß ich nach der Rückkehr von Leipzig (– wo ich den 16. Februar incognitoa in aller Stille bei meinen Kindern und Enkeln feierte –) hier einen Berg von mehr als 1600 Postsendungen aus aller Welt vorfand, der mir teilweise zu beantworten eine schwere Aufgabe ist! Nun giebt mir diese Verzögerung Gelegenheit, Ihnen zugleich meine letzte naturphilosophische Arbeit (Theophysis) zu senden. – Sollte ich noch einige Zeit arbeiten können, so werde ich sie den (schon lange begonnen) Lebens- (bez. Reise!-) Erinnerungen widmen. Meine Gesundheit ist noch leidlich, abgesehen von dem schmerzlichen Verluste der freien Ortsbewegung (– heute vor 3 Jahren! –). Meiner Frau geht es jetzt (nach jahrelangen Leiden!) erträglich; den Kindern in München und Leipzig gut.

Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus

treulichst Ihr alter

Ernst Haeckel.

a korr. aus: Incognito

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.04.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 33225
ID
33225