Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 30. April 1915
Jena 30. April 1915.
Lieber Freund!
Für Ihre herzliche Teilnahme an meinem schweren Verluste sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank! Nicht minder für den schönen Kranz, den Sie zur Feuerbestattung meiner lieben Frau sandten. Viele liebe alte Erinnerungen wurden dabei wieder wach! Wie schön und idyllisch war doch jene „gute alte Zeit“ vor 40 und 45 Jahren, verglichen mit dem entsetzlichen Rückfall in die rohe Barbarei des Mittelalters, mit welcher uns jetzt der beispiellose, von England angestiftete Völkermord bedroht. Auch ich habe unter den hiesigen Collegen und früheren Schülern viele Opfer desselben zu beklagen. || Von 12 Neffen und Großneffen, die im Felde standen, sind 4 gefallen, 2 schwer verwundet.
Hoffentlich haben Sie gute Nachrichten von Ihrem Sohne und können ihn bald wieder bei sich haben.
Meine arme Frau hat auch unter den ständigen Trauer-Eindrücken des Weltkrieges schwer gelitten.
– Morgen wird meine älteste Enkelin Else Meyer (jetzt 20 Jahr) von Leipzig zu mir ziehen und mir in meinem einsamen Hause Gesellschaft leisten.
Mit herzlichen Grüssen und besten Wünschen für Sie und Ihre Familie
treulichst
Ihr alter
Ernst Haeckel. ||
[gedruckte Traueranzeige Agnes Haeckel, geb. Huschke:]
Jena, 21. April 1915
Heute Vormittag 10 Uhr wurde meine teure Ehefrau, unsere gute Mutter und Großmutter
Agnes geb. Huschke
Im 73sten Lebensjahre durch einen sanften Tod von ihren langen Leiden erlöst.
Ernst Haeckel, Dr., Professor emer., Jena
Walther Haeckel, Maler, München
Elisabeth Meyer, geb. Haeckel, Leipzig
Emma Haeckel, Joachimsthal
Josefa Haeckel, geb. Scholz, München
Hans Meyer, Dr., Professor, Leipzig
und sechs Enkelkinder