Dohrn, Anton

Anton Dohrn an Ernst Haeckel, Stettin, 28. November 1865

Stettin 28 November 1865.

Liebster Freund!

Tandem aliquando! – Sechs volle Wochen habe ich in Breslau zugebracht, um die Berliner Scharte auszuwetzen, endlich gelang es mir einen freien Termin zu bekommen und glücklich durch Spinnen, Anneliden, weniger glücklich durch Fische und Carnivoren in die neuen Ehren hinübergeleitet zu werden. Vater Braniss verschonte mich gänzlich, – dafür aber musste ich Plato und Horaz übersetzen. So bin ich denn endlich am 19ten November hier angelangt und geniesse die Freuden und Leiden eines Verlobten. –

In Hamburg habe ich die Rechnung bei Schilling bezahlt, wie Du mir aufgetragen. Ich hielt mich drei Tage dort noch auf, liess mir allerhand Crustaceen von Schilling schenken, was er mit grosser Liberalität that, und ging dann ein Engagement mit ihm ein, im Mai Juni und Anfang Juli nach dem Nord-Cap, oder nach Island zu gehen, – wenn mir mein Vater das nöthige Geld dazu ponirte. Das will er nun thun, und ich werde nun bei Dir in Jena mich in den nächsten drei Monaten, d. h. Januar Februar März und Anfang April ordentlich noch einpauken und mir einige oder wenigstens eine specielle Aufgabe stellen lassen, die in Hammerfest oder sonst wo zu lösen ist. Schilling war schon mal in Norwegen und ist wenn auch kein interessanter aber doch ein verlässlicher Compagnon und grade im Sammeln gewiss ausgezeichnet und unermüdlich. Doch darüber können wir noch viel sprechen.

In Hamburg sprach ich auch mit Adolf Meyer, der sehr bedauerte Dich nicht || gesehen zu haben. Er lässt Dir ausdrücklich sagen: „er habe zu Niemand eine solche Zuversicht wie zu Dir, er hege die feste Ueberzeugung, Du würdest die Zoologie auf einen grossen Fuss bringen, und bäte Dich, von seiner Person, und seinen Mitteln jedweden Gebrauch zu machen.“ Ausserdem hat er monatelang Medusen im Aquarium gehalten, hat Polypen gezogen und die Medusen davon gehabt und ist überzeugt mit einigen Mitteln liesse sich das in Jena auch herstellen, welches letztere ich noch einigermaassen bezweifle. Mr. Lloyda und Brehm lassen natürlich auch grüssen, Möbius und Schmelz sah ich nicht mehr.

Aus Breslau habe ich Dir Grüsse von Cohn zu übermitteln, den ich mehrfach besucht habe. Er war aeusserst liebenswürdig und ebenso vorurtheilsfrei und ungezwungen, wie Vater Grube pedantisch und langweilig. Doch all diess erzähle ich Dir lieber, wenn ich in Jena bin, heut nur so viel aus Breslau, dass dort ein Phönix lebt, nämlich ein Paläontolog, der Darwinianer ist! Und zweifelsohne ist er wohl einer der bedeutendsten Palaeontologen und ein aeusserst feiner Kopf, – seine Autorität in Palaeontologicis wiegt also 10 Beyrichs, Pictets Reuss’ etc auf! Was uns natürlich gleich sein kann, aber doch eine schätzenswerthe Verstärkung für geeignete Gelegenheiten bildet.

Von hier soll ich Dir natürlich einen tüchtigen Händedruck von meinem übermüthigen Schatz schicken zur Abwechslung nach den vielen Helgoländer Grüssen. Letztere von meinen Eltern und Tante Luise aus Hökendorf! Ich würde Dir ausführlicher schreiben, wenn ich Dich nicht in einigen Wochen wieder sähe, und nicht so viel andre Briefe noch zu schreiben hätte. Dafür bitte ich Dich auch nur um gelegentliche Mittheilung Deines Befindens und Deiner Reiseschicksale, und um Nachricht über glückliches oder unglückliches Eintreffen der Helgoländer-Kisten. Vielleicht hast || Du einige Bottiche noch kaputt gemacht – alle solche Notizen, die nicht viel Zeit kosten sende mir.

Nun leb wohl, grüsse Alle Freunde in Jena, vorzüglich aber Neumann,

von Deinem treuen

Anton

Besitzt Jena Dana’s Crustaceen-Werk? Der vermuthete grosse Nematode ist Ophelia, wie Du nun auch wohl schon weisst!

a korr. aus.: Lloyld

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.11.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3306
ID
3306