Dohrn, Anton

Anton Dohrn an Ernst Haeckel, Berlin 31. Mai 1865

Lieber Freund!

Gern hätte ich Deinen Vorschlag acceptirt und wäre nach Jena gekommen, allein mein Papa machte mich darauf aufmerksam, dass an Extraordinariis in Geld ich in diesem Jahre doch noch genug brauchen würde, dass ich jedenfalls doch gern ab und zu nach Stettin hinüberkäme, und dass ich meine Sommerreise auch vielleicht lieber bis Rom, Neapel auch wohl Palermo ausdehnte und dazu mir eher Geld wünschen würde, als um jetzt nach Jena zu gehen. Ich meinte zwar, Dir werde es jedenfalls angenehmer sein, statt so viel zu schreiben lieber mündlich mit mir alles abzumachen, – er wollte aber nicht, und da ich ihn mir jetzt nicht erzürnen darf, so verzichtete ich.

Nun richte ich also folgende Fragen an Dich:

1). Was gedenkst Du mit Siebold zu thun, der mich nicht loslassen will, mir gestern Naegeli’s vortreffliche Rede schickte und Julius Brauns Photographie? Kannst und willst Du mit in die Adelsberger Grotten? Jedenfalls willst Du doch auch in die Krainer Alpen, also, da ich nicht gut, ohne Siebold zu beleidigen, ihm absagen kann, so könnten wir ja doch zusammengehen.

2). Was brauche ich für Instrumente etc? Das musst Du ja nach Deinen Erfahrungen ganz genau wissen. Was ich mir noch etwa anfertigen müsste, musst Du mir angeben; auf das Geld, weisst Du, brauche ich nicht ängstlich zu achten.

3). Welcher Art muss meine Garderobe sein? Trägst Du Baumwolle oder Leinwand?

4). Nimmst Du Bücher mit?

5). Ich besitze ein grosses Microscop von Zeiss, ein kleines von Schiek, und eine Stativ-Lupe nach Brücke; bedarf es noch andrer Optica?

Wann willst Du spätestens, und wann frühestens aufbrechen?

So; das ist, was ich zu sagen habe; antworte mir ganz kurz, ohne viel Zeit und Mühe dran zu wenden. ||

Wilhelm, der moralische Eroberer, lässt eben wieder einen Mordspectakel unter den Linden ausrichten; er „besichtigt“ mal wieder seine gesammte Berliner Truppenmacht. Ich kann Dich versichern, „die Haltung“ der Truppen ist bewundernswerth!

Und da soll man glauben, wie leben im 19 Jahrhundert!!! –

Meine reizende kleine Braut grüsst Dich herzlich und giebt Dir die ausgedehntestea Vollmacht über mich; lass Dich versichern, dass ich ganz von freien Stücken schon fleissig sein werde, Du sollst mich nicht zu tadeln haben.

Nun adieu; ich schreibe nicht viel, um Dich nicht lange zu stören.

Wenn Du antwortest adressire:

Anton Dohrn. Hökendorf bei Alt Damm. Stettin.

Treu und dankbar

Dein

Anton

Berlin 31. Mai. 1865.

a korr. aus: ausgdehnteste

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.05.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3295
ID
3295