Dohrn, Anton; Dohrn, Heinrich

Anton Dohrn an Ernst Haeckel Stettin, 23. Dezember 1863, mit einer Beischrift von Heinrich Dohrn

Stettin den 23ten 12.1863.

Lieber Haeckel!

Trotz der drohenden Verhältnisse bleibt mir heut Abend noch genug Humor, um einen Begleitbrief für die an die medizinischen Facultät Jena’s addressirte Fresskiste zu verfassen. Ich habe Bedacht darauf genommen, Jedem Mitgliede der leider so gestörten Soirée scandaleuse und meinem Lebensretter ein einzelnes Glied der in sich geschlossenen Fresskette zu dediciren, doch aber wird wohl am passendsten die alte Räuberhöhle bei Dir und Deiner Frau zu Verzehrung und Aufstapelung verwendet. –

Nun habe ich Euch aber derb den Text zu lesen. Ihr Faullenzer, warum antwortet Ihr mir nicht, wenn ich der Reihe nach an Euch schreibe? Nur Bieber hat es gethan, Du und Neumann aber nicht. Dass ich von Dir bloss Wuthausbrüche über Schleswig-Holstein gelesen hätte, weiss ich, aber es hätte mir doch eine gewisse Genugthuung bereitet, sie zu lesen; dass Neumann von vermissten Rostbrätchen, von Gille und Schläger geschrieben ist auch sicher, aber es wäre doch besser gewesen, als gar Nichts! Aber wartet, ich will mich rächen. Ich werde Dir nicht erzählen, was ich in Berlin Alles höre, und was Ihr nie in den Zeitungen || zu lesen kriegt, und Naumann werde ich nicht bestellen, wer ihn grüssen lässt! –

Was meinst Du nun, wenn wir und nächstens ein kleines Rendezvous beim Dannevirke gäben? Vielleicht könntest Du ein Jenenser Hülfsregiment bilden. Als Militär vom Fach werde ich Commandeur, Du mein Adjutant oder umgekehrt, wie Du willst; Naumann Stabstrompeter, Gille Tambourmajor, Schläger Feldprediger, Gerhard und Bezold Regimentsärzte, Deine Frau Marketenderin. Dann gehen wir flott drauf los und mit Hülfe von Neumanns Orchester, Herrmann vorn auf, wollen wir die Dänen wohl bald in die Belte jagen. Herrmann nehmen wir als berittnea Ordonnanz mit, und Moritz verwaltet unsre Kriegskasse. Ja selbst für den Fall, dass Schläger nicht ausreichte als Feldprobst, habe ich schon auf Aushülfe gesonnen und lasse Dir die Wahl zwischen Schwarz und Hilgenfeld. Zum Eclaireur schlage ich Gaedichens vor auch, wenn nöthig, als Parlamentär zu verwenden. Wenn wir solche Armee zusammen haben, dann soll uns nicht so leicht Niemand widerstehen! –

Erzähl mir doch, was der junge Simson in Jena macht, wie es ihm geht; das ist ein sehr gescheidter Kerl, aber sehr scheu und in Gesellschaft wenig zu brauchen; wenn Du ihn mal siehst, grüss ihn recht herzlich von mir. –

Deinen Vortrag sende umgehend hieher, wir warten bereits mit dem Drucke darauf. Was Du noch sonst über Darwin beabsichtigst ist nur zu loben; es kann nicht genug gepredigt werden. Kürzlich || hat der internationale Hirschkäfer sich berufen gefühlt, über Darwin Blödsinn drucken zu lassen; für solchen deus minorum gentium bin ich grade ausreichend, um ihm auf malitiöse Manier anzudeuten, er verstände eben gar nichts, und müsse erst das einsehen, ehe er wieder mitspräche. –

Mit Reichert vertrage ich mich noch recht gut, d. h. ich gehe ihm so viel als möglich aus dem Wege. Das ist ein Haupt-Confusionarius! Und von einer Eingebildetheit, die in Kolliker Ihresgleichen sucht!

Ich schicke Dir noch zwei liebe Leute in Photographieen auf Schokoladen-Plätzchen, zugleich eröffne ich Dir, das wenn in Berlin Revolution ausbricht, für Dich bei mir ein Säbel und Dachziegel in Bereitschaft gehalten werden. Mit diesem frommen Satz, will ich schliessen, und Euch nur ein vergnügtes Neujahr und Neumann viel Appetit und noch mehr Käse wünschen. Adieu, [ihr] lieben Freunde, ab und zu lasst nun aber von Euch hören.

Auch meine Mutter grüsst vielmals, besonders Gerhard.

Dein

Anton D. ||

Lieber Haeckel

Wenigstens einen herzlichen Gruss muss ich Dir heut noch mitschicken; mehr Zeit lässt mir meine Frau Mama nicht. Nächstens werde ich aber wirklich einen Brief schreiben.

Grüsse Deine Frau und Gerhardt

von Deinem

Heinrich D.

a korr. aus: berittnen

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
23.12.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3284
ID
3284