Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Rapallo, 10. November 1903

Rapallo (Hôtel Eden)

Riviera levante. 10.11.1903.

Liebster Freund!

Seit 14 Tagen weile ich mit meiner Frau hier in Rapallo, einem der schönsten Punkte der Riviera. Wir verließen Jena, in Folge verschiedener Hindernisse, erst am 17. October, gaben den beabsichtigten Besuch bei Walter in Sonthofen (– den wir auf der Rückreise nachholen wollen –) auf und fuhren direct über München, Lindau, Gotthardt nach Genua. In Rapallo und dem nahen Margherita inspicirte ich sämmtliche Hotels und Pensionen, und entschied mich schließlich für das kleine, beschauliche Hôtel Eden hier in Rapallo. ||

Das Hôtel (nur 15. Zimmer) liegt nahe am Strand, mit Garten. Wir haben 2 hübsche Zimmer nach Süden, mit Blick auf den herrlichen Golf von Rapallo. Ganz nahe liegt eine kleine Zoologische Station, die mein Freund, Prof. L. Camerano, in a Turin, gegründet hat, und in der ich meine Plankton-Studien fortsetzen werde. Das Klima ist sehr mild; wir erfreuen uns bis jetzt des schönsten sonnigen Herbstwetters, bei Tage 14–18° Réaumur, bei Nacht 8–12. Die Kastanien Wäldchen auf den hohen Bergen ringsum sind schön gefärbt, der felsige Strand sehr malerisch, mit schönen Gärten und Villen. ||

Hoffentlich bleiben wir hier bis Januar, vielleicht bis März. Wenn Dich Dein vielseitiges Reise-Talent nach Paris oder Lyon führt, solltest Du den Abstecher nach der Riviera nicht versäumen; wir würden uns über Deinen lieben Besuch hier sehr freuen! Mit herzlichem Danke gedenken wir Deiner oft, im behaglichen Genusse der herrlichen warmen Decken und Kissen, die uns Deine Freundes-Güte spendete, und die uns schon auf der Herreise sehr genutzt haben. Noch werthvoller werden sie uns später im Winter sein, da die Heizungs-Verhältnisse hier ziemlich mangelhaft sind. ||

Von unseren Kindern haben wir gute Nachrichten.

Die neue (V.) Auflage der „Anthropogenie“ hast Du hoffentlich richtig erhalten.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für Dich und die Deinigen, auch von Schwester Röschen,

Dein treuer alter

Ernst Haeckel.

a gestr.: Ge

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
10.11.1903
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32835
ID
32835