Dohrn, Anton

Anton Dohrn an Ernst Haeckel, Stettin, 24. Oktober 1863

Stettin. den. 24. October 1863.

Lieber Freund!

Beiliegend kommt eine Kiste mit Büchern, deren oberstes ich Gegenbaur mit vielem Danke zurückzugeben bitte, und die andern für den bummelnden Bezold aufzuheben ein dito thue. Meine Krebspastete habe ich direct an den hohen Dekan abgesendet, damit Alles rite geschehe.

Hoffentlich bist Du glücklich und ohne von Volger’schen Wegelagerern überfallen nach Jena in Dein Grossherzogthum zurückgekehrt; vielleicht ist auch schon Dein Zorn über den faulen Antidarwinisten verraucht, ehe Du ihm den versprochenen Brochüren-Ausweg eröffneta hast, jedenfalls kann ich Dich darüber beruhigen, dass unser Stettiner Publicum nicht blind mehr für Volger eintritt: ich konnte es nicht unterlassen in ein Paar Feuilleton-Artikeln in der Stettiner Zeitung die Sache in sehr Anti-Volgerscher Weise zu besprechen und habe nicht umhin gekonnt auch etliche Bosheit mit einfliessen zu lassen. Von vielen Seiten hörte ich dann auch, man wäre gar nicht so einverstanden mit den Volgerschen Meinungen, er hätte nur so schön gesprochen. Jedenfalls blüht Darwin jetzt in keiner Stadt mehr als in Stettin, denn sowohl Darwin selbst als auch Rolle und andre ihn tractirende Schriften werden im Publicum || gekauft und wenigstens aufgeschnitten.

Mit der Naturforscher-Versammlungs-Kasse sind wir so gut ausgekommen, dass 1000 rℓ für den Druck des öffentlichen Berichts übrig sind. Das ist doch gewiss gut gewirthschaftet bei alle dem Kohl, den wir arrangirt hatten. –

Hoffentlich leben die Soirées scandaleuses in andrer Zusammensetzung bei Euch wieder auf, es wäre doch zu Schade, wenn einer von Euch an diesen höchsten Erquickungen, die unser Jenenser Leben bot Mangel erleiden sollte; und solange Naumann noch in der grossen Residenz weilt, wird der nöthige Humor ja nicht fehlen, er isst ja für fünf. Grüsse ihn recht herzlich von mir und sag ihm, ich rechnete mit derselben Sicherheit, mit der ich Darwins „Theorie“ für richtig halte, darauf ihn in Berlin eine Zeitlang bei mir zu sehen. Lotze wäre ja auch da!

Besucht ihn nicht mein jetzt leider verlassener Freund Schläger?

Beiliegenden Testirbogen gieb an meinen lieben Bieber, als welcher wohl so freundlich ist meine Exmatriculation zu besorgen. Sag ihm, ich würde an ihn von Berlin schreiben, er soll meine Papiere erst am Donnerstag abschicken an folgende Addresse:

Anton Dohrn Stud – Berlin. Unter den Linden – Charlottenstr. Ecke.

Im Stohwasserschen Hause 3 Treppen.

Nun leb wohl, grüsse herzlich Deine Gattin und alle meine Freunde, mit denen ich von Berlin aus jedenfalls in schriftlichen Beziehungen zu bleiben hoffe. Gerhard danke besonders für seinen Brief. Ich schreibe bald wieder an einen von den Soirées. Adieu.

Dein

Anton.

Meine Eltern grüssen Alleb vielmals.

a korr. aus: eröffnett; b korr. aus: alle

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.10.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3283
ID
3283