Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 20. November 1901
Jena 20.11.1901.
Liebster Freund!
Da ich eben erfahre, daß außer Mr. Gemmill auch noch Dr. Beard für die Zoologische Professur in Glasgow candidirt, und da der Erstere dem Letzteren (einem verdrehten Confusionarius I. Classe!) weit vorzuziehen ist, habe ich mich (– trotz der Dir bekannten Abneigung) gegen „Testimonualo“! –) doch noch entschlossen, auf beiliegendem Blatte, im Interesse der guten Sache (ohne jede persönliche Rücksicht) meine erbetene Ansicht mitzutheilen. ||
Ich glaube, daß Du sie am besten direct an Prof. John Young, oder an ein anderes, an der Sache interessirtes „Trustee“ giebst, – statt an Mr. Gemmill persönlich (seine Adresse ist: 3 Abbion Crescent, Dowenhill Glasgow.)
Ich danke Dir noch vielmals für die Freude, die Du mir mit Deinem, leider nur kurzen Besuche gemacht hast. Deine herrlichen Orchideen haben uns 14 Tage lang ergötzt und die schöne rothe ist immer noch am Leben! ||
Der ausgezeichnet schöne Caviar sorgt jeden Abend dafür, daß mein altes Interesse an den „Fisch-Eiern“ (– meine erste Arbeit, 1854!) nicht erlischt! Schwester Röschen war sehr betrübt, daß ihr durch ihre elende Erkältung die Freude Deines Besuches entging. Die Ärmste hat noch die ganze vorige Woche zu Bett liegen müssen. Seit gestern ist wie wieder aufgestanden. Meinen eigenen Catarrh, der mich leider am Tage Deines Besuchs auch nicht zu vollem Genusse kommen ließ, habe ich wieder abgeschüttelt. ||
Inzwischen wirst Du Heft VI der „Kunstformen“ hoffentlich erhalten haben.
Im nächsten Sommer wirst Du Deinen lieben Besuch, wie ich sicher hoffe, unter glücklicheren Umständen wiederholen. Dann wollen wir wieder eine schöne Excursion in unsere Thüringer Berge zusammen machen.
Mit herzlichsten Grüßen, auch an Deine liebe Familie
Dein treuer alter
Ernst Haeckel.