Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 12. Mai 1900
ZOOLOGISCHES INSTITUT
DER UNIVERSITÄT JENA.
JENA DEN 12. Mai 1900
Liebster Freund!
In wenigen Wochen beginnt hier der blumenreiche Sommer im Saalthal einzuziehen, und damit die Hoffnung, Dich bald einmal hier wieder zu sehen. Ich hoffe auf Deinen lieben Besuch im Juni oder Juli um so mehr, als ich dann bald für längere Zeit verschwinde. Ich will nämlich den Winter in Ostindien zubringen (Java, Celebes oder andere Sunda-Inseln); ich möchte tropische „Kunstformen der Natur“ studiren und meine Plankton Studien beenden; auch noch einmal gründlich Tropen-Flora genießen. ||
Meine Frau, der es jetzt endlich besser geht (– die Folgen der Influenza quälten sie bis vor acht Tagen –) hofft den Winter an der Riviera zuzubringen – oder vielleicht in Dresden oder München (mit Emma).
Die Pfingstferien (2. bis 10. Juni) werde ich nach München reisen, um zwei dortige Collegen (Semon und Selenka), die lange in Indien waren wegen der passenden Orte für meine Plankton-Fischerei auszufragen. Mit den Vorbereitungen zur Reise habe ich bereits begonnen. ||
Unsere Leipziger Kinder, denen es sehr gut geht, bauen sich jetzt hier für die Sommerfrische ein „Berghäuschen“ (auf dem Landgrafen).
Beifolgendes Drama (Giordano Bruno) soll im Juni in Leipzig aufgeführt werden.
Hoffentlich geht es Dir und den Deinigen gut.
Schreib’ mir vorher, wann Du kommst, damit ich mich einige Tage möglichst frei machen kann (– am besten Samstag, Sonntag, Montag).
Mit herzlichen Grüßen
von Haus zu Haus
Dein alter
E. Haeckel