Borshom (Kaukasus).}
Jena, 20.12.1897.
Liebster Freund!
Gestern ist Dein ichthyologisch-spiritualistischer Weihnachtsgruß in Gestalt einer Caviar-Büchse und 6 feinen Flaschen Liquor conservativus eingetroffen; nimm unseren herzlichsten Dank für Deine Güte!
– Die neunte Auflage der „Natürl. Schöpfungsg.“ (mit 30 Tafeln) ist endlich erschienen; darf ich sie Dir nach Berlin (Hôtel Bristol) schicken? Oder soll ich sie direct nach Glasgow senden? Ganz wie Du wünschest! ||
Deiner gestrigen Einladung, Dich in Berlin zu besuchen, werde ich wohl schwerlich folgen können. Wenn meine Frau, die wieder mehrere Wochen zu Bett liegen mußte, leidlich wohl ist, denken wir vom 27. – 30. Decb. in Leipzig bei Lisbeth zu sein (Haydnstr. 20). Da man jetzt in kaum 3 Stunden von Leipzig nach Berlin fährt, komme ich möglicherweise auf ½ Tag dorthin, oder hast Du Lust, uns in Leipzig zu besuchen? Das wäre sehr schön! Nach unserem lieben Jena kann ich Dich im Winter kaum einladen; jedenfalls mußt Du aber im nächsten Frühling kommen! ||
Für Deine freundschaftliche Theilnahme am Tode meines lieben einzigen Bruders – eines ganz vortrefflichen Menschen! – danke ich Dir herzlich! Der arme Kerl ist Opfer seines heiligen Missions-Eifers geworden! Bei einer langen Sitzung des Missions-Vereins in einer eiskalten Kirche (im März), in die er sehr erhitzt hinein kam, hat er sich eine Pleuritis geholt, die ihn nach ½ Jahr umgebracht hat. Ich hüte mich vor Kirchen-Besuchen!!
Mit besten Wünschen für ein recht vergnügtes Weihnachtsfest und herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus
Dein treuer alter
Ernst Haeckel.