Ernst Haeckel an Paul Rottenburg, Jena, 22. September 1892

Jena 22. Septbr 1892.

Liebster Freund!

Bei meiner Rückkehr am vorigen Samstag fand ich hier eine solche Anhäufung von officiellen, academischen und häuslichen Geschichten vor, daß ich erst heute dazu komme, die dringlichsten unter den angesammelten Briefen zu beantworten. Da soll es denn meine erste Pflicht sein, Dir und Deiner lieben Frau, sowie Deinem lieben Bruder, meinen herzlichsten Dank für die unübertrefflich liebenswürdige Aufnahme zu sagen, die Ihr mir diesmal wieder habt in Glasgow zu Theil werden lassen; sie war mir doppelt erquickend und herzerfreuend nach der etwas strapaziösen „Medusa“-Tour mit dem guten Murray. ||

Ganz besonders danke ich Dir, liebster Freund, für die zahlreichen Beweise brüderlicher Liebe und rührender Sorgfalt, mit denen Du mich auf unserer Excursion nach Skye überhäuft hast! Wenn diese nordische Wunder-Insel auch nicht unseren hochgespannten Erwartungen entsprach, so hat mir doch die Fahrt selbst, sowie der Einblick in die öde einsame Ossians-Landschaft der Hebriden, viel Interesse gewährt. Daß Du dabei durch körperliche und geistige (spirituelle!) Warmhaltung und trefflichste Verpflegung meine Individualität gut conservirt hast, dankt Dir meine Dich herzlichst grüßende Frau ganz besonders! ||

Meine Rückreise verlief gut. Fahrt von Glasgow nach London im Coupé III. Cl. ganz vorzüglich, ebenso Verpflegung und Logis im Holburn-Viaduct-Hôtel. Ich blieb in London 3 Tage, größtentheils dem Studium des mir höchst interessanten neuen Museum of natural history in South Kensington gewidmet. Du mußt Dir diese großartige Anstalt bei Deinem nächsten Aufenthalt in London gründlich ansehen. Besonders die Illustration des Darwinismus unten in der Haupthalle ist musterhaft; dabei Alles für Selbstbelehrung des Publicums vortrefflich eingerichtet. Ich wurde von den anwesenden Collegen sehr liebenswürdig aufgenommen und umher geführt. Einen interessanten Abend gewährte mir „Buffalo Bill“! ||

Rückreise von London (via Queensboro – Vlissingen – Köln) sehr angenehm. Hier fand ich meine Familie wohl.

Den Rest der Ferien werde ich nun tüchtig zur Plankton-Arbeit benutzen. Doch werde ich wahrscheinlich die I. Octob. Woche zu einem Besuche bei m. Bruder in Potsdam verwenden. – Die versprochenen Bücher sind bestellt und werden nächste Woche hier eintreffen. Soll ich sie Dir via Hamburg (durch G. Kräfft) senden? Oder ziehst Du eine andere Route (wegen der Cholera in H.) vor? Bücher sind ja nach Koch unschädlich, resp. kein Transporteure von Komma-Bacillen! – Hoffentlich geht es Euch allen recht gut!

Mit wiederholtem herzlichsten Dank

Dein treuer alter E. Haeckel.

Brief Metadaten

ID
32785
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
22.09.1892
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,7 x 21,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32785
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Rottenburg, Paul; Jena; 22.09.1892; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32785