Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Eduard Suess, Jena, 20. August 1911

Jena 20. August 1911.

Hochverehrter Freund!

Unter den unzähligen Naturforschern und Kulturfreunden, die heute an Ihrem Achtzigsten Geburtstage Ihrer unsterblichen Verdienste an Wissenschaft und Menschenwohl mit wärmster Bewunderung gedenken, möchte auch ich als Gratulant nicht fehlen. Seit ich vor 54 Jahren (im Sommer 1857) das Glück hatte Sie in Wien kennenzulernen und später mit unserem Freunde Ferdinand von Richthofen – sodann 1871 mit dem genialen Rokitansky – unvergessliche Stunden zu verleben, habe ich stets mit gleicher Verehrung und Dankbarkeit zu Ihnen aufgeschaut. Mögen Sie an einem sonnigen Lebensabend noch lange Sich der reichen Früchte Ihrer unermüdlichen Thätigkeit a erfreuen!

Mit herzlichsten Grüssen

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel. ||

[gedruckter Serienbrief]

Phyletisches Museum in Jena.

Zahlreiche Anfragen, betreffend den Besuch des neuen Phyletischen Museums in Jena, veranlassen mich zu folgender Mitteilung. Das Gebäude des Museums (Neugasse 22), welches innerhalb Jahresfrist fertig gestellt wurde, ist zwar am 30. Juli 1908 der Universität Jena – bei Gelegenheit ihrer 350jährigen Jubelfeier – als Eigentum übergeben worden; es ist aber noch so feucht, dass die innere Ausstattung und das Einräumen der wertvollen Sammlungen erst im nächsten Frühjahr beginnen kann. Voraussichtlich wird diese umfangreiche Arbeit noch mehrereb Jahrec in Anspruch nehmen, so dass die Oeffnung der Schausammlungen für das Publikum erst im Frühjahr 1914d stattfinden kann.

Die Geldmittel für den Bau und die Ausstattung sind lediglich durch freiwillige Beiträge meiner Schüler und Freunde, sowie durch hochherzige Gaben von begüterten Anhängern der Entwickelungslehre gesammelt worden. Weitere Gaben dafür nimmt dauernd das „Rentamt der Universität Jena“ entgegen, das darüber zu quittieren amtlich ermächtigt ist. Von den Erträgen dieser fortgesetzten Sammlung wird es abhängen, ob dieses „Erste Museum für Entwickelungslehre“ in vollem Maße das hohe Ziel erreichen wird, welches mir bei seiner Gründung im Beginne des Jahres 1907 vor Augen stand, die Schaffung einer öffentlichen Bildungsstätte für wahre Natur-Erkenntnis, eines Tempels für den Kultus des Wahren, Guten und Schönen.

JENA, 18. August 1911.e

ERNST HAECKEL.

a gestr.: xxx; b gestr.: das ganze nächste, handschriftlich eingef.: mehrere; c korr. aus: Jahr; d korr. aus: 1910; e korr. aus: 1908

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.08.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Geologisches Institut der Universität Wien
ID
32723