Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Carl Theodor Ernst von Siebold, Jena, 15. November 1879

Jena 15. November 79

Lieber und hochverehrter Freund!

Für Deinen freundlichen Brief sage ich Dir meinen herzlichsten Dank. Es freut mich sehr, zu hören, daß Du mit dem Gebrauche von Wildbad wieder sehr zufrieden bist, und hoffe ich, daß die Gicht Dir recht lange Ruhe lassen wirda. Zugleich danke ich bestens für die Übersendung der Rougemont’schen Arbeiten. Helicopsyche hat mich sehr interessirt; nur Schade, daß dabei die Verdienste Deiner liebenswürdigen Enkelin nicht hervorgehoben sind! ||

Die I. Hälfte meines „Systems der Medusen“ (Craspedoten, 400 Species, mit 20 Tafeln) wirst Du im Laufe der nächsten Wochen von mir erhalten. Die II. Hälfte (Acraspeden) hoffe ich Dir bis März schicken zu können. Dann folgen noch 1880 die „Tiefsee-Medusen des Challenger“ (kaum 20, aber sehr interessante Species). Dann erst kann ich an die „Radiolarien des Challenger“ gehen. Es werden 100 Tafeln, von denen 40 bereits gedruckt, 30 andere gezeichnet sind. || Der Formen-Reichthum dieser Tiefsee-Rhizopoden ist unglaublich groß; ich habe bis jetzt schon über 2000 neue Arten unterscheiden können. Du siehst, ich bin auf dem besten Wege, „reiner Systematiker“ zu werden. Die wunderbare Schönheit der mikroskopischen Formen entschädigt mich für die trockene Beschreibung. – In den Herbst-Ferien war ich 6 Wochen in Schottland, um mir den Rest des Materials zu holen. Das Challenger-Werk wird großartig: etwa 30 Bände Quart, mit cc. 2000 Tafeln! Fast alle europäischen Nationen haben einzelne Mitarbeiter dabei. || Der Challenger-Director, Wyville Thomson, ist leider sehr krank. Murray hat jetzt die Direction der Sammlungen als Stellvertreter. Er sagte mir, daß die besten Arbeiten von Willemoes-Suhm schon bei seinen Lebzeiten erschienen seien. Der Rest von Manuscripten und Zeichnungen (zugleich mit dem Sammlungs-Material) ist Claus angeboten worden, der aber abgelehnt hat. Auch sonst hat sich bis jetzt Niemand für die Bearbeitung finden wollen. Freilich ist es eine schwierige Aufgabe, da Vieles im Manuscript nur gestreute flüchtige Notizen sind.

– Meine Frau sendet mit mir die freundlichsten Grüße an Dich und Deine hochverehrte Frau Gemahlin.

Stets in bekannter Verehrung Dein treu ergebener

Ernst Haeckel

a korr. aus: wirst

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
15.11.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32705
ID
32705