Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Carl Theodor Ernst von Siebold, Fiume, 20. April 1878

Fiume 20. April 1878

Hochverehrter theurer Freund!

Unter den vielen Glückwünschen mit denen Du übermorgen überhäuft werden wirst, nimmst Du hoffentlich auch diesen, aus dem stürmischen Quanero kommenden gern entgegen. Mögest Du den 22. April, an dem Du vor 50 Jahren die Doctorwürde erlangtest, recht hoch und heiter im Kreise Deiner lieben Familie und Deiner Freunde ungetrübt verleben! ||

Ich bin seit 5 Wochen auf Reisen, größtentheils am Gestade der Adria, mit dem Fischen von Medusen und Radiolarien beschäftigt. 11 Tage war ich in Venedig, 6 Tage in Triest, 6 Tage in Pola, und fand recht hübsche neue Formen. Jetzt will ich noch einige Tage hier in Fiume fischen und dann direct über Wien nach Hause zurückkehren, um am folgenden Montag, 29. April die Untersuchungen in Jena wieder beginnen zu können. ||

Recht sehr haben meine Frau und ich uns über die Verlobung Deiner liebenswürdigen und kenntnißreichen zoologischen Enkelin mit dem Professor Rougemont gefreut. Er soll ein recht tüchtiger junger Naturforscher sein. Ich würde unsere aufrichtigen Glückwünsche zu diesem höchst erfreulichen Familien-Ereignisse Dir sofort nach Empfang der Verlobungs-Anzeige übermittelt haben, wenn nicht die Vorbereitungen zur Reise, und dringlichste Arbeiten, meine ganze Zeit absorbirt hätten. ||

Nach meiner Rückkehr werde ich zunächst die Medusen Arbeit beendigen, und dann die Radiolarien des Challenger (mit 100 Tafeln) vornehmen, deren Ausarbeitung mich wohl die nächsten 3–4 Jahre ausschließlich beschäftigen wird.

Mit der Bitte, mich Deiner lieben Frau und Tochter nebst Enkelin, sowie meinen Münchner Freunden bestens zu empfehlen, und mit den herzlichsten Grüßen und wiederholten Glückwünschen, Dein treu ergebener

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
20.04.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32703
ID
32703