Jena 14.6.1917.
Liebe und hochverehrte Freundin!
Aus Ihrem so eben erhaltenen lieben Briefe ersehe ich mit Befriedigung, daß die übersandte Mappe mit den 30 Aquarell-Skizzen und dem „Radiolarien-Dedikations-Blatt“ Ihnen Freude gemacht hat; Sie dürfen die Bilder nur nicht als wirkliche „Kunstwerke“ betrachten, sondern als persönliche Erinnerungen eines Naturfreundes an die unschätzbaren Genüsse des Reisens, das ja auch Sie als erfahrene „Weltreisende“ so reichlich gekostet haben.
Über die Bedeutung mancher Einzelheiten in diesen Dilettanten-Blättern wird Ihnen mein Archivarius Auskunft geben können. Ich freue mich zu hören, daß er bei Ihnen in sorglicher mütterliche Pflege ist und sogar Ihr Schüler im Maschinen-Schreib-Unterricht geworden ist. ||
Gestern erhielt ich von der hiesigen „Bank für Thüringen“ (Strupp-Weigel Str. 2) die erfreuliche Mitteilung, daß die erste Rate des Beitrages für die „Ernst-Haeckel-Stiftung“, den Sie in hochherziger Weise gespendet haben, – im Betrage von 5000 Mk – bei der Bank eingegangen und von ihr unter Nr. 5249 gebucht worden ist.
Ich wiederhole Ihnen meinen herzlichsten Dank für dieses Geschenk, durch welches das Kapital meiner akademischen Stiftung in erwünschter Weise erhöht worden ist. Ich bin sehr glücklich zu wissen, daß nunmehr das Phyletische Archiv, dem ich so viele Opfer gebracht habe, sicher auf eine glückliche Zukunft und fruchtbare Verwertung rechnen kann. ||
Seit einigen Tagen haben wir hier, bei andauerndem Ostwind, heißes Sommerwetter, so daß die Vegetation fabelhaft rasch sich entwickelt und das Versäumte nachholt. Wir hoffen sehr, daß einmal wieder ein tüchtiger Regen kommt; schon der Ernte wegen (die bis jetzt sehr gute Aussichten hat) ist das sehr wünschenswert. Die unerhörte Teuerung nimmt leider immer noch zu!
Mit herzlichsten Grüßen und mit wiederholtem besten Dank
Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.