Arnold Dodel an Ernst Haeckel, Zürich, 27. Mai 1900
Zürich IV. Rigistrasse 60.
27. Mai 1900.
An Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel in Jena.
Hochgeehrtester Herr College!
Endlich finde ich Zeit zu ein paar Worten herzlichen Dankes für die mir von Ihnen gewordene Dedication des Bölsche’schen Buches! Ich kenne dasselbe schon etliche Monate und habe mich seinerzeit bei der Lektüre desselben innig gefreut. Ihr (zweites) Exemplar bleibt als Reserve-Geschenk für eine meiner beiden Töchter zur Disposition; ich hoffe nämlich, beide Mädels werden eines Tages ebensolch begeisterte Schüler des Jenenser Professors sein, wie es ihre beiden Eltern seit lange sind, und dann so Jede der Beiden je ein Exemplar des Haeckelbuches bekommen.
Mein kurzer Artikel über Ihr Welträthselbuch hat manchenorts Freude gemacht, unter Anderem auch dem alten liebenswürdigen Louis Prang, Fine Art Publisher aus Boston, der gegenwärtig auf einer Europa-Reise ist und mich von London aus bittet, ihn an Sie in Jena zu empfehlen. Der Sechsundsiebzigjährige ist auf der Hochzeitsreise & wird gelegentlich durch Jena kommen. Er war Begründer & Inhaber des verdientesten chromolithographischen Geschäftes in Amerika, aus welchem die feinsten Chromolithographieen hervorgingen, die bis jetzt überhaupt erschienen sind; auch ist er der Herausgeber eines klassischen Zeichnen-Werkes für den Unterricht im Zeichnen & Aquarelliren (von der Baby-Schule an bis zur Academie). Gegenwärtig werden 2 Millionen Schüler nach seiner Methode im Zeichnen unterrichtet. Dabei ist dieser liebe Alte noch jugendlich begeisterter Idealist, an dem Jeder seine Freude haben wird, der für Schönheit, Wahrheit und Geistesfreiheit kämpft. Ich bitte, versagen Sie ihm seinerzeit nicht, wenn er um eine Audienz bei Ihnen nachsucht (vielleicht im Juli nächsthin)!
Sie reisen im Herbst wieder nach Osten! Möge es Ihnen recht gut gehen. Inzwischen hat unsereiner Pläne zum An- & Auf- & Ausbau des Hauses No 60 Rigistraße zu studieren. Das ist vielleicht nicht so ersprießlich, als es interessant sein wird. Wenn Sie im September durch Zürich kommen, hoffen wir Sie persönlich zu sehen. Meine liebe Frau grüßt Sie herzlich, wie ich es ebenfalls thue.
Ihr ergebenster
Arnold Dodel.