Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an August Weismann, Jena, 5. Februar 1876

Jena 5 Febr 76

Lieber Freund!

Wenn Sie Fritz Schultze als Philosophen nach Freiburg bekommen könnten, würde ich Ihnen dazu nur gratulieren können. Er ist ein ganz vortrefflicher, sehr fleißiger und strebsamer Mensch, klarer und consequenter Denker und wohl der einzige deutsche Philosoph, bei dem die Descendenz-Theorie ganz in Fleisch und Blut übergegangen ist. Er würde die philosophische Seite unserer Theorie sicher dort ebenso wie hier zur Geltung bringen, wo er mit größtem Beifall darüber liest. || Neben verschiedenen philosoph. Vorlesungen hält er auch solche über Ethnographie, Urgeschichte, Anthropologie. Als Lehrer ist er ausgezeichnet.

Vor 3 Wochen bekam er gleichzeitig 2 Berufungen als ordentl. Prof. der Philosophie; an die Universität nach Zürich, und an die neue „polytechnische Hochschule“ in Dresden. Letztere hat er angenommen und geht zu Ostern hin. Doch glaube ich, daß er eventuell im Winter schon bereit sein würde, einen entsprechenden Ruf an eine || deutsche Universität anzunehmen. Die Dresdener Stellung wird ihn auf die Dauer wohl schwerlich befriedigen. In Carlsruhe würde man vermuthlich Kuno Fischer in Heidelberg fragen; der ihn als seinen besten Schüler warm empfiehlt. Ich kenne ihn seit 10 Jahren genau und kann ihm nur das beste Zeugniß ertheilen.

Mit freundlichstem Gruße

Ihr aufrichtig ergebener

E. Haeckel

P. S. Haben Sie die interessante neue Arbeit von Ed. Van Beneden über die Gastrula des Kaninchens gelesen? (Bull[etins de lAcadémie Royale des Sciences de] Belgique No. 12 1875).

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.02.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., Autographensammlung
Signatur
Autographen-Nr. 1087
ID
32515