Arnold Dodel-Port an Ernst Haeckel, Zürich, 14. Dezember 1897
Zürich IV. 14. Decbr. 1897.
Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel in Jena.
Hochgeehrtester Herr College!
Lassen Sie mich Ihnen herzlich Dank sagen für die Uebersendung des mir zugedachten Dedications-Exemplars von der IX.Auflage Ihrer „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“! Die Post brachte mir gestern Abend das Paket & ein lieberes Weihnachtsgeschenk hätte sie mir nicht bringen können. Was mir beim vorläufigen Durchblättern des prächtig ausgestatteten Werkes am allermeisten Freude gemacht, das war die Wahrnehmung, daß die wunderbare Spannkraft & die Geistesfrische des Verfassers dieselbe geblieben ist, die sie war bei der erstmaligen Bearbeitung dieses epochemachenden Buches. Drei Jahrzehnte consumirender Arbeit haben nicht vermocht, den Jungbronnen heiliger Begeisterung zum Versiegen zu bringen; im Gegentheil fließt dieser reichlicher & munterer als je.
Unter den neu hinzugekommenen Illustrationen begrüße ich mit heller Freude den Gabriel Max’schen Pithecanthropos, den ich übrigens bereits in Kupferdruck besitze. Was sind alle die schönen & unschönen Bilder über das Thema „Adam & Eva“ gegen dieses „prächtige“ Pärchen von Stammeltern naturerkennender Weltbürger. Gewiß, das Bild verdient die Ehrung im vollem Maße, die Sie ihm angedeihen ließen.
Kunst & Wissenschaft haben sich in Ihrem Buch schwesterlich vereint, um erbauend und veredelnd hinauszutreten unter das sehen-wollende Volk einer neuen Zeit, die aufräumen muß & auch gewiß aufräumen wird mit den Moderschätzen von Glauben & Aberglauben. – Ihr Werk bleibe auch fürderhin ein Vorbild für Andere, die guten Willens sind, mitzuschaffen an einer sonnenhellen Zukunft!
Mögen Sie, hochverehrter Herr College, noch lange lange gesund & jung bleiben zu eigener Glückseligkeit nicht minder als zu Nutz & Frommen der Gesammtheit!
Mit den herzlichsten Wünschen & Grüßen
Ihr dankbar ergebener
A.Dodel.