Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an August Weismann, Jena, 18. Januar 1872

Jena 18 Jan 1872

Lieber Freund und College!

Durch Ihren heute eingetroffenen Brief haben Sie mich sehr erfreut, besonders durch die gute Nachricht, daß Sie mit Ihrer Gesundheit immer mehr zufrieden werden und völlige Herstellung Ihrer Augen hoffen. Ich wünsche Ihnen das von ganzem Herzen!

Die Angelegenheit unserer Jenenser Zeitschrift ist nach langen Verhandlungen endlich dahin entschieden worden, daß Engelmann vorläufig noch den Verlag behält. Inzwischen hatte sich aber für die ersten Hefte des so lange verzögerten neuen Bandes hier soviel einheimisches Material angesammelt, daß die Redaction das von Ihnen gütigst || angebotene Manuskript doch erst später hätte annehmen können. Dies der Grund, weßhalb ich Ihnen nicht weiter darüber geschrieben habe. Übrigens scheint es mir nach dem, was Sie mir über Ihre Arbeit mitgetheilt haben, auch bei weitem das Passendste, sie als selbständige Broschüre erscheinen zu lassen. Ich bin sehr gespannt auf dieselbe!

Ich bin in diesem Winter mit Arbeiten übermäßig überladen. Meine Monographie der Kalkschwämme ist in Folge des außerordentlich reichen Materials so umfangreich geworden, daß ich sie in 2 Theile bringen muß. Dazu kommt als dritter Theil ein Atlas von 60 Tafeln, die größtentheils schon gedruckt sind. ||

Der Tod von Wagenschieber war für mich speciell ein rechter Verlust. Leider bilden seine Nachfolger nur ein sehr dürftiges Surrogat.

Das Buch wird im Laufe des Sommers erscheinen.

Außerdem wird jetzt noch die III. Aufl. der „Schöpfungsgeschichte“ gedruckt; und da ich zudem noch die Freuden des Decanats genieße, die bei uns hier mit einer Masse lästiger Schreibereien und Geschäfte verbunden sind, so können Sie denken, daß es mit meiner freien Zeit jetzt schlimm aussieht. Da ich das Decanat erst am 1. April abgebe, muß ich die Oster-Ferien hier zubringen, was übrigens auch schon wegen der Tafeln und Druck-Correcturen nöthig ist. ||

Daß Gegenbaur nicht nach Strassburg geht, trotzdem die Bedingungen sehr glänzend und verlockend waren, gereicht uns hier zur großen Genugthuung. Ein Ersatz für ihn wäre gar nicht zu finden gewesen. Mit den nachwachsenden Anatomen sieht es überdies jetzt sehr windig aus. Nach Leipzig soll jetzt Lieberkühn (!!) kommen, nachdem Max Schultze abgelehnt hat. Dr. Anton Dohrn hat Jena vor 3 Monaten definitiv verlassen, um ganz in Neapel zu bleiben, wo er bereits mit dem Bau seines großen Aquariums beschäftigt ist. Seine Adreße ist: Palazzo Torlonio. Neapel.

Mit den freundlichsten Grüßen

Ihr

Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.01.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., Autographensammlung
Signatur
Autographen-Nr. 1081
ID
32509