Ernst Haeckel an August Weismann, Jena, 20. April 1868
Jena 20 April 68
Lieber Freund und College!
Schon längst habe ich Ihnen schreiben und Ihnen sagen wollen, wie leid es mir und meiner Frau that, Sie im letzten Herbst in Freiburg nicht zu Hause getroffen zu haben. Unsere Reiseroute war ganz von Wind und Wellen abhängig und daher hatte ich mich vorher nicht versichern können, ob wir Sie dort finden würden. Inzwischen werden Sie durch Gegenbaur gehört haben, daß es mir recht gut geht. Von Letzterem, der wohl in den nächsten Tagen kommen wird, hoffe ich Gutes von Ihnen zu hören. ||
Zweck meines heutigen Schreibens ist, Ihnen, falls Sie Gelegenheit haben bei Besetzung der botanischen Professur zu wirken, für dieselbe Dr. Bail in Danzig*) zu empfehlen. Derselbe hat mich dringendst ersucht, ihn dort zu empfehlen. Ich kenne ihn allerdings nicht näher, habe jedoch durch mehrere Bekannte und Fachgenossen ihn sehr rühmen hören. Das einzige Mal, wo ich ihn sah, auf der Naturforscher Versammlung in Königsberg, gefiel er mir recht gut; er hielt auch dort einen recht interessanten allgemeinen Vortrag. Speciell beruft er || sich auf das Zeugniß von Prof. Göppert in Breslau. – Übrigens hat auch der hiesige Botaniker Hallier, der sein a Nebenbuhler ist, große Lust, (und wie ich glaube b auch Berechtigung), sich um die dortige Professur zu bewerben. Persönlich kann ich letzteren ebenfalls empfehlen. Über seine Arbeiten lauten die Urtheile sehr verschieden, die Botaniker urtheilen meist nicht sehr günstig. – Ich bin gegenwärtig stark mit Verarbeitung meiner kanarischen Hydromedusen beschäftigt. Hoffentlich sind Ihre Augen so weit wieder hergestellt, daß Sie wieder arbeiten können. Mit herzlichem Gruß, wie immer Ihr freundschaftlich
ergebener
Haeckel
*) Bail ist in meinem Alter etwa, Lehrer an der Realschule in Danzig und hat hauptsächlich über Pilze gearbeitet.
a gestr.: xxx; b gestr.: Xxx