Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Engelmann, Jena, 2. Juli 1888

Jena 2/Juli 88

Lieber Freund!

Dein so eben eingetroffener Brief hat mich durch die Hoffnung, Dich bald als lieben Collegen hier begrüßen zu können, mit großer Freude erfüllt. Ich habe inzwischen hier nach Möglichkeiten gewirkt, um diese schöne Hoffnung zu verwirklichen. Gleich nachdem Preyer seine überraschende (– und „höchst thörichte“!) Entlassung eingereicht, sprach ich mit dem Curator, und mit den nächsten Mitgliedern der Facultät. ||

Meine warme Empfehlung Deiner wissenschaftlichen Talente und Leistungen, wie Deines persönlichen Characters, fand williges Gehör; insbesondere sind auch Preyer und Müller zwei in dieser Angelegenheit besonders wichtige Factoren, entschlossen, Deine Berufung primo loco in der Facultät zu vertreten. Einige Schwierigkeit dürfte vielleicht der Umstand machen, daß Du Deiner Gesundheit wegen ein Jahr Urlaub nehmen mußtest. Die Regierung ist gerade in dieser Beziehung sehr ängstlich. Indessen hoffe ich daß sich die Besorgnisse entkräften lassen werden. – ||

Was Dich selbst und Deine liebe Frau, wie auch die Erziehung der Kinder betrifft, so bin ich überzeugt, daß Ihr Euch hier sehr wohl fühlen und den Entschluß, Utrecht mit Jena zu vertauschen, nie bereuen werdet, – vorausgesetzt, daß Du durch den langen Aufenthalt bei den braven „Myn Heers“ nicht allzusehr „verholländert“ bist. Ich selbst habe meinen Entschluß, zeitlebens hier zu bleiben, noch niemals bereut, und bin jedes Jahr mehr mit demselben zufrieden. Das neue Jena – seit 20 Jahren um das Doppelte vergrößert, qualitativ neuerlich || verbessert – bietet in der That alle Annehmlichkeiten einer guten Mittelstadt, – dazu die herrliche Gegend, die centrale Lage, die Nähe Leipzigs etc –.

In collegialer Beziehung dürftest Du wohl ganz zufrieden sein, – besonders nun auch Fürbringer kommt.

– Da voraussichtlich die Besetzung der vacanten Stelle schon in den nächsten Wochen zum Vorschlag resp. zur Entscheidung kommen wird, halte ich es für wünschenswerth, daß Du Dich bald in erreichbarer Nähe befindest! –

Deiner lieben Frau bitte ich meine verehrungsvollsten Grüße zu bestellen, und drücke Dir freundschaftlichst die Hand mit der frohen Hoffnung, Euch bald die Unsrigen nennen zu können!

Stets Dein treuer alter

E. Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.07.1888
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK
Signatur
Slg. Darmstaedter, Lc 1875: Haeckel, Ernst
ID
32409