Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Engelmann, o. O., 13. Juni 1863

13. Juni 1863

Verehrtester Freund!

Ihre und Ihrer lieben Eltern freundliche Einladung für die Tage des Turnfestes in Ihrem Hause ein Obdach zu finden, nehmen wir Beide, ich und ganz besonders meine Frau mit herzlichem Danke und großer Freude an, jedoch nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß Sie Alle sich unseretwegen nicht den geringsten Zwang anthun. Wir sind mit der bescheidensten Oberboden-Kammer und einem Heu- oder Stroh-Lager auf dem wir unsere Plaids ausbreiten können, vollständig zufrieden. Ja, eine solche ist uns in diesem Falle lieber, als das bequemste und feinste Logirzimmer mit Betten, da es sich erstens für Turner geziemt, in dem modernen Capua-Leipzig durch möglichst einfache, den Verhältnissen unserer Alt-Vordern entsprechende Lebensweise ein gutes Beispiel zu geben, und da ich zweitens durch || eine so einfache Lebensweise und Herberge, daß sie möglichst an das Sennhütten-Leben, erinnert, meiner Frau den diesjährigen Mangel einer ordentlichen Alpenreise mit obligaten Sennhütten-Strapatzen zu ersetzen wünsche. Das Einzige, was wir wünschen, ist eine vor Wind und Wetter geschützte, d. h. überdachte Schlafstelle! – Fast gleichzeitig mit Ihrer freundlichen Einladung empfing ich vorgestern als Mitglied des hiesigen „Männer-Turnvereins“ eine Einladung von dem Leipziger Central-Festcomité, mit dem Anerbieten einer Wohnung. Ich habe diese nun ausgeschlagen, indem ich Ihre Güte annehme. Haben Sie und Ihre lieben Eltern dafür im Voraus von mir und meiner Frau, die Sie herzlich grüßen läßt, den besten Dank!

Ihr

ergebener

Haeckel.

P.S. Schöne Grüße vom Ober-Boccia-Director Neumann, der untröstlich ist, daß das starke Regenwetter nun schon 2 Tage den Besuch des Felsenkellers vereitelt hat!

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.06.1863
Entstehungsort
Zielort
Leipzig
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK
Signatur
Slg. Darmstaedter, Lc 1875: Haeckel, Ernst
ID
32400