Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Max Fürbringer, Jena, 30. November 1901

Jena, 30.Nov. 1901.

Lieber Fürbringer!

In Betreff der „Austral. Forschungsreisen“ von Semon, und deren Subvention durch unsere Medic. Nat. Gesellschaft muss ich Dir heute – zu meinem lebhaften Bedauern! – wenig erfreuliche Mittheilungen machen. Vorstand und Tausch-Commission der M.N.G. (– 8 Personen –) hatten gestern Abend eine lange Sitzung, in der die verzweifelte Lage unserer Kasse berathen wurde. Bei Abschluss der (– lange unvollständig gebliebenen! –) Abrechnung hat sich ergeben, dass die Gesellschaft bei unserem Verleger G. Fischer noch colossale Schulden zu decken hat, obgleich Letzterer Jetzt 3 000 Mk. geschenkt hat. AIs Ursachen unserer Finanz-Calamität wurden hervorgehoben:

I. Für Semon‘s Werk Ueberschreitung des ursprünglichen Umfangs und zu kostspielige Ausstattung (besonders mit color. Tafeln, im systemat. Theil namentlich);

II. Für die Jenaische Zeitschr. für N. zu umfangreiche Abhandlungen und zu schnelles Erscheinen (im letzten Jahr 3 Bände statt eines):

– Sodann wurde hervorgehoben, dass die M.N.G. Semon‘s zur Publication schon 7 000 Mk. hergegeben und ihren Reserve-Fond damit zugleich erschöpft habe. (Fischer hat ausserdem 3 000, Ritter 10 000 beigesteuert). Gegenwärtig sind noch gegen 3 000 Mk. Schulden zu decken. Selbstverständlich habe ich die hohe Wichtigkeit von Semon‘s grundlegendem Werke, sowie die Bedeutung der fruchtbaren Thätigkeit der Jen. Zeitschr. (– deren Aufblühen wir vorzüglich Deiner aufopfernden Redactions-Thätigkeit verdanken –), insbesondere für den Tauschverkehr der Univers. Bibliothek, gebührend hervorgehoben. Ich musste aber leider zugeben, dass || „Guter Rath theuer“ ist! – Gleichzeitig ergab sich leider, dass auch mein Zool. Institut tief in Schulden steckt, und dass dessen Subvention durch die Ritter-Stiftung für 1902 nicht ausreichen wird, die übermässigen Ausgaben dieses Jahres zu decken (neue Schränke, Massen von Gläsern etc. für 46 Kisten Malayische Sammlungen, zu denen jetzt noch 18 andere von Sumatra gekommen sind). Ob weitere Subventionen von der Regierung - oder vielleicht von der Karl-Zeiss-Stiftung (durch Abbe –) zu erlangen sind, ist zweifelhaft; versuchen wollen wir es. – Die Ansicht der Majorität der Commission war, dass Semon selbst (– dessen finanzielle Leistungsfähigkeit hier in sehr rosigen Farben ausgemalt wird – angeblich grosse Erbschaft von einem „Goldonkel“!! –) sich wohl selbst zum Opfer von 3 000 Mk. oder mehr werde entschliessen müssen, wenn das schöne Unternehmen glücklich zu Ende geführt werden soll. Aehnlich äusserte sich auch Dr. G. Fischer, mit dem ich vorgestern lange verhandelte. Auch ihn trifft einige Schuld, insofern er die Höhe seiner Ausgaben – zu Lasten der M.N.G. - nicht früher hatte vollständig zusammenstellen lassen. Die Einzelheiten unserer Bilanz wird Dir Prof. J. Walther mittheilen. Vielleicht theilst Du diesen Brief direct Semon mit.

Mit herzlichen Grüssen

Dein alter E. Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
30.11.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32350
ID
32350