Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Ostwald, Jena, 11. Mai 1914

Herrn Professor Dr. Wilhelm Ostwald (Grossbothen)

Praesident des Deutschen Monistenbundes.

(Antwort auf das Schreiben vom 8. Mai 1914, betreffend Ansprüche an den „Ernst-Haeckel-

Schatz für Monismus“.)

Jena 11. Mai 1914.

Lieber und verehrter Freund!

Die Differenz unserer Anschauungen, die jetzt bezüglich der Verwendung des im letzten halben Jahre gesammelten „Ernst-Haeckel-Schatzes für Monismus“ zu Tage getreten ist, bedaure ich aufrichtig und werde natürlich bemüht sein, Sie freundschaftlich auszugleichen. Meine Ansichten darüber sind Ihnen zum Teil schon aus der Mitteilung über die „Ernst-Haeckel-Stiftung“ bekannt, welche ich am 31. October 1913 geschrieben und in Heft 12 von Breitenbach’s Monatsschrift „Neue Weltanschauung“ veröffentlicht habe; einen Abdruck derselben lege ich hier bei. Am Schlusse hatte ich daselbst bemerkt: „Es ist selbstverständlich, daß ich beiden, meinen Namen tragenden Stiftungen mit gleicher persönlicher Teilnahme gegenüberstehe, und beiden Cultur-Organisationen den gleichen Erfolg wünsche.

Die ältere „Ernst-Haeckel-Stiftung für Entwickelungslehre (1894) ist ebenso für die Förderung des Monismus bestimmt, wie die von Ihnen angeregte Sammlung für den „Ernst-Haeckel-Schatz für Monismus“ (1913) welche jetzt in runder Summe den schönen Ertrag von 60.000 Mk ergeben hat. ||

Es schien mir von Anfang an selbstverständlich, daß ich bei der Verwendung des letzteren (– der doch ein Ehrengeschenk des Monistenbundes zum 80sten Geburtstag seines Ehrenpräsidenten sein sollte –) in Vereinbarung mit Ihnen, als dem activen Praesidenten, Verfügung zu treffen hätte. Das Einfachste und Naturgemäßeste erschien mir dabei, von Anfang an, die Halbierung des Ertrages der Sammlung, so daß also jetzt 30.000 Mk Ihnen, zu freier Verfügung für Ihre Unternehmungen zur Förderung des Monistenbundes, zur Verfügung gestellt würden; ebenso viel anderseits mir, zur Förderung der Entwickelungslehre, die nach meiner, nunmehr seit einem halben Jahrhundert vertretenen und befestigten Auffassung, nicht bloß eine der wichtigsten Aufgaben des Monismus selbst ist, sondern im Interesse des Monistenbundes selbst von diesem auf alle Weise gefördert werden sollte. Es besteht also durchaus kein Gegensatz der Aufgaben und Interessen zwischen beiden Stiftungen.

Als mein alter Freund, Wilhelm Knaupp in Renchen (Baden) mir zum 16. Februar d. J. das Ehrengeschenk von 15.000 Mk. (in sicheren Staatspapieren angelegt) sandte, bemerkte er dazu ausdrücklich, – „daß diese Gabe nur für die Ernst-Haeckel-Stiftung bestimmt ist, und daß das Capital sammt Zinsen zur Förderung der Entwickelungslehre nach Professor Ernst Haeckels Freiem Ermessen verwendet werden soll“ – (Brief vom 10. November 1913, auch Herrn Riess in Hamburg mitgeteilt). || Diese Summe (15.000 Mk) wurde von mir sogleich festgelegt in dem Depot des Phyletischen Archivs, welches Eigentum der Universität Jena ist.

Die Organisation und Entwickelung dieses eigenartigen Phyletischen Archivs, über dessen Bedeutung Einiges in der oben erwähnten Mitteilung (vom 31 October 1913) angegeben ist, betrachte ich jetzt als meine nächste praktische Aufgabe. Sie hat neuerdings eine erfreuliche Förderung dadurch erfahren, daß die Staatsregierung bei dem jetzt begonnenen Neubau der Universitäts-Bibliothek mir zwei besondere Räume dafür zur Verfügung gestellt hat. Für deren Ausstattung und Einrichtung, für die Erweiterung der dazu gehörigen Bibliothek, besonders aber für die Besoldung des dafür angestellten Archivars – (welcher ein größeres Werk über „Geschichte der Entwickelungslehre schreibt, auf Grund der hier gesammelten Original-Materialien) brauche ich jährlich zunächst 5000 Mk. Somit würden die 30.000 Mk, auf welche ich jetzt aus dem „E. H. Schatz“ Anspruch erheben darf, für die nächsten 6 Jahre ausreichen. Hoffentlich finden sich später noch andere Hilfsquellen.

Die Universität Jena selbst, ebenso wie die Staatsregierung in Weimar, sind bei ihren beschränkten Mitteln leider nicht in der Lage, diese meine persönliche Unternehmung durch Geldmittel zu fördern – wie sie auch Nichts zu dem Bau und der Einrichtung des neuen Phyletischen Museums beigetragen haben, welches vor 7 Jahren von mir gegründet und 1908 eröffnet wurde. ||

Für dieses Museum opfere ich übrigens jetzt keine Geldmittel mehr, da sie neuerdings von anderer Seite beschafft worden sind. Jedoch ist durch diese kostspielige Unternehmung der weitaus größte Teil der drei Sammlungen aufgezehrt worden, deren reichen Ertrag ich in der obigen Mitteilung (vom 30. October 1913) – unter I, A, B, C.) –) auf circa 300.000 Mk beziffert habe (– nicht auf eine halbe oder ganze Million, wie Sie irrtümlich annahmen –).

Wenn Sie dagegen, hochverehrter Freund, in Übereinstimmung mit Herrn Riess (Hamburg) und den anderen Mitgliedern des Bundes-Vorstandes, auf Ihrer Ansicht beharren, daß der ganze Ertrag der Schatz Sammlung (– nach Abzug der Knaupp-Stiftung also 45.000 Mk –) zu Ihrer freien Verfügung steht, ohne meine Mitwirkung, so ist diese Auffassung zwar vielleicht durch den Wortlaut des gedruckten Aufrufs vom 12. Oktober 1913 (– in juristischem Sinne! –) gerechtfertigt, und ich würde auf den weiteren Anspruch von 15.000 Mk Verzicht leisten. Ich würde mich aber dann zu meinem Bedauern genötigt sehen, auf alle weitere Mitwirkung an der Arbeit des (1906 von mir gegründeten) Deutschen Monistenbundes zu verzichten, und eventuell auch meine nominale Stellung als sein Ehrenpräsident niederzulegen.

In der Hoffnung, daß Sie die Berechtigung dieser meiner Auffassung anerkennen und mir deren offene Aussprache nicht verübeln werden, bleibe ich in aufrichtiger Hochschätzung

Ihr ganz ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.05.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Grossbothen
Besitzende Institution
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, NL Ostwald
Signatur
1041
ID
31940