Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Albert Niess, Jena, 30. Dezember 1883

Jena 30. December 83.

Lieber Freund Niess!

Für Ihren lieben Weihnachts-Brief und besonders den schönen poetischen Neujahrs-Gruß danke ich Ihnen recht herzlich, und nicht minder für die freundliche Sendung süßer Pfefferkuchen, durch welche Sie meine Kinder sehr erfreut haben. Mit herzlicher Theilnahme las ich, daß Sie in diesem Jahre viel Noth und Sorge gehabt haben. Ich wünsche von Herzen, daß das nächste Jahr viel besser werde, und Ihnen Viel Freude bringe. Auch ich bin froh, dies Jahr hinter mir zu haben.

Der gleichzeitige Neubau meines zoologischen Museums und meines kleinen Privat-Hauses (demselben gegenüber, ein paar Minuten am Bache aufwärts von meiner bisherigen Mietswohnung) hat mich außerordentlich viel Sorge und Ärger gekostet. || Als ich dann endlich im September mit Mühe und Noth fertig war, verletzte ich mir beim Umzuge durch Quetschung den Fuß und mußte 6 Wochen liegen. Auch meine Familie war vielfach krank. Meinen einzigen Sohn (jetzt 15 Jahr alt) mußte ich nach Gera auf die Realschule, und zu einem Lehrer in Pension geben, weil er auf dem hiesigen Gymnasium absolut Nichts lernen wollte. Meine mühselige zoologische Arbeit (die langweilige Beschreibung von ein paar tausend neuen Radiolarien-Arten) hat mir in diesem Jahre auch keine sonderliche Freude bereitet. So hoffe ich denn gleichfalls auf ein besseres neues Jahr, in dem ich das halbe Jahrhundert meiner Erden-Pilgerfahrt abschließe. Ihr schönes „Evangelium der Arbeit“ dient mir dabei zum Troste. Die Anwendung meiner Fahrt auf den Adams-Pik (von dem ich Ihnen beifolgend noch 2 Exemplare sende) hat mich sehr erfreut.

Frau und Kinder vereinen ihre Grüße und ihren Dank mit den meinen. Hoffentlich besuchen Sie uns einmal im Sommer.

Mit besten Wünschen

treulichst

Ihr Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.12.1883
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Stadtarchiv Braunschweig
Signatur
G IX 8: 11
ID
31935