Ernst Haeckel an Albert Niess, Potsdam, 31. Mai 1879
Potsdam 31 Mai 79
Lieber Freund!
Ich benutze die Muße einiger Pfingsttage, die ich hier bei meiner alten 80jährigen Mutter in Potsdam zubringe, um Ihnen einen freundlichen Festgruß und zugleich unseren herzlichsten Dank für die prachtvolle Spargelsendung abzustatten, durch die Sie mich und meine Frau vor einigen Tagen erfreut haben. Das edle Gewächs hat uns köstlich gemundet und wir haben dabei Ihre Braunschweiger „Züchtungskunst“ aufrichtig bewundert! || Von mir kann ich Ihnen nicht viel Neues berichten. Ich habe den allgemeinen Arbeiten für einige Jahre Lebewohl gesagt und stecke tief in zwei großen Special-Arbeiten, die viel Zeit kosten. Die „Medusen“ (mit 40 Tafeln) hoffe ich in diesem Jahre noch zu beenden. Hingegen werden die „Radiolarien des Challenger“ (mit 100 Tafeln) wohl noch 2 – 3 Jahre Arbeit kosten. Ich bin so tief in diese abgelegenen Geheimnisse vergraben, daß ich alles Andere darüber liegen lasse || und auch meine Correspondenz möglichst einschränke (– wie Sie aus beiliegendem, fast täglich versendeten Autogramm ersehen können –). Meine 3 Kinder sind munter, meine Frau aber leider viel kränklich. Sie wird nächstens wieder in ein Bad gehen.
Es wird mich sehr freuen, von Ihnen wieder einmal zu hören. Hoffentlich hat sich Ihr Schicksal wieder freundlicher gestaltet.
Mit herzlichen Grüßen und mit wiederholtem Danke
Ihr E. Haeckel
[Beilage: Autogramm-Schreiben]
Autographirt.
Jena
(Datum des Poststempels).
Hochgeehrter Herr!
Indem ich Ihnen für Ihre freundliche Mittheilung danke, muss ich zugleich mein Bedauern aussprechen, Ihnen nicht die gewünschte eingehende Antwort geben zu können. Meine Zeit und meine Arbeitskraft ist durch wissenschaftliche Arbeiten, akademische Pflichten und andere Aufgaben dergestalt in Anspruch genommen, dass es mir bei der übermässig anwachsenden Correspondenz ganz unmöglich wird, alle eingehenden Briefe zu beantworten und alle übersandten Drucksachen zu lesen.
Hochachtunngsvoll
Professor Dr. Ernst Haeckel.