Ernst Haeckel an Otto Fürst von Bismarck, Jena, 6. Juli 1892
Jena, 6. Juli 1892
Durchlauchtigster Fürst!
Wahrscheinlich werden Ew. Durchlaucht schon ehe diese Zeilen in Ihre Hand kommen ein Telegramm des hiesigen Bismarck-Comité erhalten haben, welches Sie ersucht, nächsten Sonntag, 10. Juli, eine Deputation von Angehörigen der Universität und Stadt Jena zu empfangen. Diese Deputation, der anzugehören ich die Ehre habe, soll Ew. Durchlaucht ersuchen, bei Ihrer demnächstigen Rückreise von Kissingen Jena zu berühren und hierselbst den Ausdruck der herzlichsten Dankbarkeit und der höchsten Verehrung für den Gründer des neuen Deutschen Reiches entgegen zu nehmen. Nicht allein die Universität und Stadt Jena, sondern auch das ganze Thüringer Land, welches Jena als seinen Vorort deutschen Geisteslebens betrachtet, würden den Besuch des allverehrten Altreichskanzlers als einen nationalen Ehrentag betrachten, und wir sind überzeugt, dass Ew. Durchlaucht nirgends eine herzlichere und freudigere Aufnahme finden würden, als hier im unabhängigen Herzen von Deutschland. Zugleich würden die hohen landschaftlichen Reize unseres idyllischen Saalthals dazu dienen, Ew. Durchlaucht eine angenehme und erquickende Unterbrechung von den Strapazen Ihrer längeren Eisenbahnfahrt [zu] gewähren. Selbst wenn Ew. Durchlaucht – was wir nicht hoffen – verhindert wäre, unserer Einladung Folge zu leisten und den kleinen Abstecher von Weimar (eine halbe Stunde Eisenbahnfahrt) auszuführen würden wir hocherfreut sein, wenn Sie am nächsten Sonntag unsere Deputation empfangen und uns gestatten wollten, Ihnen mündlich unsere wärmste Verehrung und unvergängliche Dankbarkeit auszudrücken.
In der frohen Hoffnung einer gütigen Zusage Ew. Durchlaucht längst ganz ergebenster
Prof. Dr. Ernst Haeckel.