Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Herman George Scheffauer, Jena, 10. Juli 1917

Jena 10. Juli 1917.

Lieber Herr Scheffauer!

Für den Prospekt Ihrer neuen Wochenschrift „The Bridge” und den begleitenden freundlichen Brief danke ich herzlich! Ich brauche nicht zu versichern, dass ich Ihrem dankenswerten Unternehmen mit aufrichtiger Sympathie gegenüber stehe und ihm von ganzem Herzen den besten Erfolg und die weiteste Verbreitung wünsche.

An dem wahnsinnigen Kriege, in dem jetzt die Europäische (christliche!) Kulturwelt sich selbst zerfleischt, trägt sicherlich einen grossen Teil Schuld die Unkenntnis, welche die Englische Welt (auf der ganzen Erde!) von Deutschland und seinen Bewohnern, seiner Wissenschaft und Kunst, wie seinen politischen und sozialen Verhältnissen hat. Hier muss gründlich aufgeklärt werden!

Dass die Nord-Amerikaner sich in ihrer Hauptmasse sich so miserabel gezeigt haben, ist auf’s Tiefste zu bedauern! Wilson erscheint mir unter allen bösen Figuren dieser Tragoedie als der elendeste Schurke! Und dieser falsche und lügenhafte Charakter, ohne Kenntnis und ohne Verständnis der Deutschen Verhältnisse (– unterstützt durch den perfiden Gerard!) schleppt das „Freie Volk“ Washingtons in dies entsetzliche Blutbad hinein!

– Meine Gesundheit (Herz! Nerven!) hat seit mehreren Monaten sehr abgenommen. Ich werde wohl vor dem traurigen Geschick, noch den vierten Kriegswinter durchzumachen, bewahrt bleiben. Leider werde ich also auch der „Bridge“ keine Dienste leisten können, was ich sonst sehr gern getan hätte!

Mit herzlichen Grüssen und besten Wünschen für Sie und Ihre liebe Frau

treulichst

Ihr

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
10.07.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 31742
ID
31742