Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelmine Hintze, Jena, 12. Oktober 1908

Jena 12.10.08.

Liebe und hochverehrte Freundin!

Nach der Rückkehr von meiner Reise fand ich hier eine solche Masse dringender Arbeit, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre freundlichen Sendungen zu sagen, für die schönen Postkarten, die duftige Ananas und vor Allem Ihr stetes freundliches Gedenken. Ich habe mich sehr gefreut, daß Sie an unserem akademischen Fest Ende Juli teilnehmen konnten, und denke noch mit besonderem Vergnügen an die gemütlichen Frühstücks-Stunden am Weimar-Geraer Bahnhof. || Mit herzlichem Bedauern erfuhr ich von der schmerzhaften Erkrankung Ihres lieben Mannes; ich hoffe, daß er wieder ganz genesen ist und Sie außer Sorge sind. –

Einliegende Postkarte (nach meiner Abreise hier eingetroffen) fand ich kürzlich in einem Haufen angesammelter Briefe.

Die 4Wochen tiefer Einsamkeit, die ich solissimo in Bad Wildungen verlebte, haben mich von den starken Strapatzen der Juli-Festwochen wiederhergestellt. Die Zeit verging rasch (trotz schlechten Wetters) – dank 30 Korrektur-Bogen! Nachher hatte ich noch 14 schöne Tage in Luzern, Baden, Zürich. ||

Unser junger Freund Schaxel studirt jetzt in München und kommt zu Ostern wieder her. Fräulein Holgers war 4Wochen in Sylt und arbeitet jetzt an ihren Vorträgen in Berlin.

Dr. Heinrich Schmidt hilft mir an den Korrekturen der neuen Taschen-Ausgabe der „Welträtsel“.

Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihren lieben Mann

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel. ||

[gedrucktes Rundschreiben:]

Phyletisches Museum in Jena.

Zahlreiche Anfragen, betreffend den Besuch des neuen Phyletischen Museums in Jena, veranlassen mich zu folgender Mitteilung. Das Gebäude des Museums (Neugasse 22), welches innerhalb Jahresfrist fertig gestellt wurde, ist zwar am 30. Juli 1908 der Universität Jena – bei Gelegenheit ihrer 350jährigen Jubelfeier – als Eigentum übergeben worden; es ist aber noch so feucht, dass die innere Ausstattung und das Einräumen der wertvollen Sammlungen erst im nächsten Frühjahr beginnen kann. Voraussichtlich wird diese umfangreiche Arbeit noch das ganze nächste Jahr in Anspruch nehmen, so dass die Oeffnung der Schausammlungen für das Publikum erst im Frühjahr 1910 stattfinden kann.

Die Geldmittel für den Bau und die Ausstattung des Museums sind lediglich durch freiwillige Beiträge meiner Schüler und Freunde, sowie durch hochherzige Gaben von begüterten Anhängern der Entwicklungslehre gesammelt worden. Weitere Gaben dafür nimmt dauernd das „Rentamt der Universität Jena“ entgegen, das darüber zu quittieren amtlich ermächtigt ist. Von den Erträgen dieser fortgesetzten Sammlung wird es abhängen, ob dieses „Erste Museum für Entwicklungslehre“ in vollem Maße das hohe Ziel erreichen wird, welches mir bei seiner Gründung im Beginne des Jahres 1907 vor Augen stand, die Schaffung einer öffentlichen Bildungsstätte für wahre Natur-Erkenntnis, eines Tempels für den Kultus des Wahren, Guten und Schönen.

Jena, 18. August 1908.

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
12.10.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Hamburg
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31671
ID
31671