Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 23. April 1902
Holmhurst
Dowanhill Gardens
Glasgow
23/4.1902.
Liebster Freund.
Erst heute komme ich dazu Dir für Deinen Brief nach Berlin schriftlich zu danken. Bisher langte die Zeit nur zu Depeschenwechsel und nach Hause zurückgekommen mußte ich mich mit Influenza ins Bett legen, bin aber in Folge von „Kügelchen“ von denen sogar ganz gescheidte Leute nichts wissen wollen wieder ziemlich auf dem Damm. – Meine Frau habe ich bei meinem Bruder gelassen und ist sie mit || dem Patienten Freitag nach Wiesbaden übergesiedelt wo sie von Behandlung eines Dr. Witzhold viel erwartet. Sie kennt ihn von Liebenstein her. – Bislang lauten die Nachrichten noch nicht gut und meine arme Frau thut mir leid denn derartig nervöse Zustände sind für die Umgebung sehr angreifend und mein guter Bruder ist schrecklich verwöhnt und lässt sich riesig gehen. –
Sonnabend Abend in Berlin mit Heinrich war sehr gemüthlich und wir || sind dem Wolkenbruch eben entgangen.
Im Grunewald bin ich gewesen und habe mir Dein Standbild angesehen. – Entwurf sehr schön und nobel. – Aehnlichkeit recht gut. Künstler sympathisch so daß ich mir ein oder zwei kleine Bemerkungen erlaubte die die Aehnlichkeit – dessen bin ich sicher gefördert haben. – Der Schnurrbart hatte so einen Schatten von: „Es ist erreicht“ und ich meine ich hätte von Dir gehört wenn Du an den Hof ziehen willst – nehme also an Du hast Deinen Bart nicht verändert. –
Sehr leid thut es mir zu hören das Röschen so viel zu leiden hat. – Wenn ich die und meinen Bruder bloß homoeopathisch behandelt sehen koennte. –
Hast Du seiner Zeit den Caviar erhalten und darfa ich Dir wieder einmal eine Sendung Scotch Marmelade machen? In welcher Packung hast Du sie am liebsten?
A prospos Ritter scheint ein merkwürdiger Heiliger – Gute Nacht & Gruß an Deine Lieben
Dein
Paul R.
a eingef.: darf