Grete Trapp an Ernst Haeckel, Zürich, 23. Januar 1916
Hochverehrter Meister!
Nachdem mir kürzlich von Dr. Schmidt ein überraschender Gruß aus München zu teil ward, schreibt er mir gestern ganz kurz, daß ihn seine Jenenser Freunde, daß ihn vor allem sein Meister nicht weglassen wollen; nun grade nicht. Wie habe ich da aufgeatmet. Ich konnte mir´s beim besten Willen nicht vorstellen, daß man dort, wo doch der größte Teil seiner || Lebensaufgabe liegt, wo ja – trotz allem – sein Wesen wurzelt, daß man ihn doch nicht halten wolle. Ich, für meine Wenigkeit, stehe ja der ganzen Situation viel zu fremd gegenüber, um mir einen Rat anmaßen zu dürfen, aber ein Wort schrieb ich dem Freund heute: das Wort, das der Fritz Reutera dem Pastor in den Mund legt, da er Hanne Nüteb nachruft: „ … ich würde doch nach Jena gehen!“ ||
Verehrter Meister, verzeihen Sie, daß ich c noch länger Ihre Zeit beanspruche. Ich bedarf Ihres Rates und erlaube daher folgende Frage: ich habe Schmidt für Ostern zu uns nach Zürich eingeladen, mit dem egoistischen Hintergedanken, daß er für unsern Jungen eine Art Konfirmationsfeier im Haus leitet. Leider bin ich nun nicht in der Lage, ihm ein entsprechendes Honorar zu bieten, aber – halten Sie dafür, daß ich ihm Vergütung des Reisegeldes München – Zürich anbieten darf und sollte? Hier || wäre er natürlich auch unser Gast. – Ein wirkliches Ausruhen ein Alles-Dahintenlassen, wäre gerade jetzt gewiß recht gut für ihn!
Darf ich hoffen, daß mir diese Zeilen, diese Belästigung, nicht übel angerechnet werden und mir evtl. durch Ihr Fräulein Enkelin eine kurze Antwort zu teil wird? –
Mit aufrichtigem Wunsch für Ihr Wohlergehen
immer Ihre dankbar ergebene
Grete Trapp.
Z. Hauserstr.
a irrtüml.: Reutter; b irrtüml.: Lüte; c gestr.: Sie