Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 9. Mai 1897

Holmhurst,,

Dowanhill Gardens

Glasgow.

Mai 9. 1897.

Liebster Freund und

Illustrissime Professore!

Deine verschiedenen liebenswürdigen Zusendungen italienischer Zeitungsliteratur und Briefe wie Postkarten verdienten einen früheren Dank! Amico picavi! Laße mir einen Theil der Absolution ab, die Dir doch zweifelsohne bei Deinem Besuch am Vatikan vom Heiligen Vater zu Theil geworden ist. – Und sei nunmehr für Alles sehr sehr herzlich bedankt! ||

Ganz speziell freute ich mich über Deine Rüstigkeit im Reisen, Sammeln, Schaffen und hoffe Du giebst nicht alles im Herbste in Rußland aus sondern behältst noch Etwas übrig für eine schottische Hochlandsreise mit Schwester Röschen – sagen wir 1898. 1897 ist ein ewiger Winter hier und wenig einladend – wir frieren heute am 9ten Mai noch in Winterkleidern und die Bäume bekommen jetzt erst einen hellgrünen Anstrich. Im Mai ist noch viel Schnee gefallen und die || Grampians waren vor 8 Tagen bis an den Fuß weiß. –

In 14 Tagen gehen wir nach dem Continent – Tante Ida zur Wasserkur nach Schoeneck am Vierwaldstetter See – kennst Du es? – ich zu einer Sitzung nach Baris – schreibe Paris. – Ob wir in Bonn bei meinem Bruder Curator taufen ist noch unentschieden denn das Baby – Junge – ist etwas verspätet eingetroffen – erst vor 5 Tagen. – Später gehe ich dann auch nach der Schweiz um die Ferien mit meinen Mädchen an irgend einem hübschen Platze vielleicht Saasfee zu verleben. –

Kannst Du Etwas besseres empfehlen? Die Anziehungskraft nach Jena ist ungeschwächt und braucht nicht erst durch Spezial Einladung aufgefrischt zu werden – sobald also || die Constellation der Marsch Route günstig – erscheine ich auf der Bildfläche, möglichst mit Tante Ida. Ende Maerz waren wir in Berlin und Frankfurt womit ich Geschäftsbesuche in Stassfurt Düsseldorf etc. verband. – Die zwei Soehne in Berlin um uns zu haben war ebenso hübsch als die Centenarfeier unschön ob der totalen Nichtachtung und Nichtgedenkens || der „Handlungen“ die größer als alle Wilhelms zusammengenommen. –

Ich sehe schwarz in die Zukunft; ein derartiger Militairstaat – solche Polizeiwirthschaft und Bevormundung sind heute nicht mehr angebracht und müssen früher oder später ein schlechtes Ende nehmen. Mir fielen heute grade die „Indischen Sprüche“ von Bothlink in die Hand und ich war versucht Spruch 658 an Majestät per Postkarte || übermitteln. –

Hoffentlich ist Schwester Röschen durch den Italien Aufenthalt recht gekräftigt und Ihr habt einen recht gesunden Sommer und Weite vor Euch. Wie gefällt sich Heinrich in Stettin und was treibt Walter?

Mit den herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus

Immer

Dein

Paul R. ‒

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
09.05.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31509
ID
31509